Stille Zeit
Ich war zum Übernachtungsbesuch bei Bekannten. Nach anregenden Gesprächen und gutem Essen wünschen wir uns eine gute Nacht. Meine Gastgeber haben mir ein Bett in einem Zimmer hergerichtet. Doch als ich mich ins Bett lege, höre ich ein unangenehmes Geräusch.
Das Ticken der alten Standuhr stört den Schlaf
In einer Ecke steht eine alte Standuhr. Ein antikes Möbelstück mit einer Glastür, hinter der ein Pendel aus Messing hin und her wandert. Viertelstündlich rattert es im Uhrwerk, und ein Schlagwerk hämmert die Zeit. Dazwischen endloses Geticke. So kann ich nicht schlafen. Spontan entscheide ich, die Glastür der Uhr zu öffnen. Löse die schweren Messinggewichte von der Kette und lege sie neben die Uhr. Und in der wunderbaren Stille, die daraufhin einkehrt, schlafe ich schnell ein.
Am nächsten Morgen stehen die Zeiger der Uhr noch auf halb Zwölf. Erst, als ich die Gewichte wieder einhänge, beginnen die Pendel erneut ihre Arbeit. Eine solche Erfahrung ist heute wohl selten. Moderne Uhren machen heute keinen Lärm mehr.
Unruhe und Unrast gibt es in Uhren und im Kopf
Und doch auch in meinem Schlafzimmer kann ich manchmal schlecht einschlafen. Nicht, weil eine Standuhr tickt. Sondern weil in meinem Kopf unruhig ist und tickt und schlägt. In Gedanken ziehen die Termine des kommenden Tages vorbei. Das schwierige Gespräch, das noch zu führen ist. Oder der Arzttermin, an dem uns der Befund der letzten Untersuchung mitgeteilt wird. Die unerledigten Aufgaben oder das Telefonat, das ich schon so lange vor mir herschiebe. Das alles hängt sich dann wie schwere Gewichte in die Gedanken auf und macht mich unruhig. Unruhe und Unrast sind nur nicht Namen für die kleinen Materialteile, die der Uhrmacher ins Uhrwerk einbaut. Sie sind auch Ausdrücke für das, was in der Seele in Bewegung ist.
Alles was die Seele belastet bei Gott ablegen und zur Ruhe kommen
Solche Unruhe und Unrast kannten die Menschen der Bibel. In einem alten Gebet heißt es: „Meine Seele ist stille zu Gott, der mir hilft. Denn er ist mein Fels, meine Hilfe und mein Schutz“. Der Beter ist unruhig und rastlos. Damit er zur Ruhe kommt, legt er alles, was ihn belastet, bei Gott ab. Und er erlebt: Auch, wenn es um mich herum lärmt. Wenn die Zeit drängt. Es kehrt Stille in mir ein. Eine Stille, die am Abend hilft, den nötigen Schlaf zu finden. Solche Stille vor Gott, Momente des Innehaltens, brauch ich auch am Morgen für den neuen Tag. Damit der Tag nicht rastlos wird. Bei allem, was vor mir liegt, soll er erfüllt sein.