Anker in der Zeit
In den letzten Sommerferien hat es sich kurzfristig ergeben, dass ich wieder einmal auf Exerzitien fahren konnte. Exerzitien, das sind Tage zur inneren Einkehr. In dieser Zeit stärkt man bewusst die eigene Beziehung zu Gott, betet intensiv, meditiert und hält Ruhepausen. Da ich ganz besonders gut am Meer abschalten und meine Seele baumeln lassen kann, entschied ich mich für ein katholisches Begegnungshause auf der Insel Wangerooge. „Hier müssen Sie nicht funktionieren!“, mit diesen Worten begrüßte mich der Inselpfarrer.
Es folgten Tage der absoluten Ruhe, Gottesdienste am Strand und das Gefühl, „einen Gang zurückschalten“ zu können. Der Alltag war immer unterschiedlich. Aber was ich jeden Tag gemacht habe, war ans Meer zu gehen. Die Wellen, die kommen und gehen, das laute Rauschen und die Weite des Horizontes prägten sich fest bei mir ein. Ich nahm meine Umwelt ganz anders wahr, als es zu Hause tue. Auf der Insel fahren keine Autos, es sind nicht viele Menschen unterwegs und ich entscheide mich dafür, mal keine Musik über Kopfhörer zu hören, sondern einfach zu lauschen.
Nach einem Spaziergang fällt mir am zweitletzten Tag meiner Exerzitien ein eindrucksvoller, sicher 2x2 Meter großer Anker auf. Er liegt auf der Wiese. Einfach so direkt neben der Inselkirche. Und obwohl weit und breit kein Schild oder gar eine Beschreibung zu sehen ist, strahlt er für mich viel aus: Kraft, Stärke und Sicherheit. Wenn ich ihm eine Überschrift geben müsste, wäre sie: „Hier will ich bleiben.“ Je länger ich ihn betrachte und mich frage, wieso er gerade so vor mir hier liegt, fällt mir ein Lied von Albert Frey ein, einem bekannten Sänger vieler moderner geistlicher Lieder. In einem heißt es „Er ist das Zentrum der Geschichte, er ist der Anker in der Zeit. Er ist der Ursprung allen Lebens und unser Ziel in Ewigkeit.“ Dieser Anker, der schon etliche Jahrzehnte an derselben Stelle dort liegt, symbolisiert all das. Anker halten Schiffe fest. Wenn jemand an Bord kommen möchte oder die See zu stürmisch wird, dann setzt man den Anker. Seine Arme graben sich tief in den Boden.
Gott ist mein Anker – seine Arme beschützen mich bei jedem Wellengang
Manchmal muss ein Schiff warten, weil der Hafen nur bei Flut zu befahren ist. Auch hier ankert man auf weiter See, bis man wieder in Sicherheit ist. Manchmal wirft man einen Anker, um Pause zu machen. Um vom Boot aus schwimmen zu gehen, den Ausblick auf den Horizont oder auf das tiefblaue Meer zu genießen. Einen Halt zu haben, damit das Schiff ein Ort ist, an den man wieder zurückkommen kann. Gehalten von Anker und Kette. Manchmal wirft man seinen Anker im Sturm. Es braucht Geduld und Zeit, bis die hohen Wellen kleiner werden. Das ist die Aufgabe des Ankers. Er gibt Halt. Der Anker symbolisiert die Hoffnung. Für mich bedeutet das: Ich kann mich auf Gott verlassen. Auch wenn es noch so stürmisch um mich herum ist, wenn ich kein Land oder keinen Hafen mehr sehe oder, wenn ich das Gefühl habe, ich ertrinke. Als Christ mache ich mich an diesem Anker fest. An Gott. So wie ein Anker sich in den Tiefen des Meeres festmacht. Ich will mich festmachen. Und ich möchte dazu stehen: Ich bin stolz auf diesen Halt in meinem Alltag. An Gott zu glauben, tut mir gut. Auf ihn kann ich mich verlassen. Er ist der Anker in der Zeit.