Ein Platz für Gastfreundschaft
Ein riesiges rotes Sofa aus Beton steht in Kassel vor einer Wohnsiedlung mit Hochhäusern. Nehmt doch Platz, signalisiert es. Lasst euch nieder, hier kann man gut wohnen. Mein Urbild für ein einladendes Sofa ist anders: weich und gemütlich, mit runden Armlehnen und einem großen Blumenmuster. Es stand lange bei Freunden im Wohnzimmer.
Viel Besuch auf dem Sofa meiner Freundin
Wenn wir kamen, war es häufig besetzt. Besuch war da – aus der Nachbarschaft, aus der Psychiatrie um die Ecke, Fremde, Freundinnen und Verwandte. Unsere Freundin zog Plätzchen aus dem Schrank. Sie hat die Begabung, dass bei ihr alle Menschen zu reden beginnen, auch die schweigsamsten. Ihr Mann machte währenddessen im Sessel daneben ein Nickerchen. Es war Sonntagnachmittag.
„Gastfrei zu sein, vergesst nicht“
»Gastfrei zu sein vergesst nicht, denn manche haben schon ohne ihr Wissen Engel beherbergt.« (Hebräer 13,2) Unsere Freundin hat diesen Vers aus dem Hebräerbrief gelebt. Wer auf ihrem Sofa saß, hat sich entspannt, schaute anders, leuchtender. Ich habe hin und wieder den Engel durchschimmern sehen.
Dann sind unsere Freunde mit ihren Kindern ins Ausland gezogen. Was für eine Freude, als wir sie besuchten und das alte Sofa war noch da! Auch die Gewohnheit, viele Gäste zu beherbergen, haben sie behalten. Wir haben Fotos aus mehreren Jahren, auf denen alle Kinder und Eltern auf diesem Sofa sitzen. Erst auf dem letzten Bild ist es zu eng geworden.
Ein neues Sofa?
Jetzt kommt die Familie aus dem Ausland zurück. Das Sofa war zuletzt ganz verschlissen. Es hat ausgedient.
Zurückkommen ist eine kleine Krise. Werden sie hier ein neues Sofa kaufen und sich niederlassen? Oder brechen sie bald wieder auf und besorgen lieber leichte Möbel?
Man kann nichts festhalten
»Wir haben hier keine bleibende Stadt. Die zukünftige suchen wir.« (Hebräer 13,14) Wenn ich an dieses andere Wort aus dem Hebräerbrief, denke, spüre ich die Trauer: Auch was mir noch so vertraut ist, irgendwann hat es ausgedient. Ich kann nichts festhalten, eines Tages muss ich gehen. Aber die Worte trösten mich auch: Es gibt eine zukünftige Stadt, ein wirkliches Zuhause, bei Gott.
Platz nehmen für Demokratie
Wir bleiben in Bewegung, mit einem Ziel vor Augen. Ein großes Ziel ist das für unsere Städte, dass alle willkommen sind und in Frieden wohnen, gleich, woher sie zuziehen. Dass wir miteinander reden. Platz nehmen für die Demokratie - es ist eine gute Idee, an öffentlichen Plätzen Stühle aufzustellen und ins Gespräch zu kommen, auch über strittige Themen. Dafür braucht es kein Sofa - auf die Gastfreiheit kommt es. Denn es kann immer ein Engel sein, der Platz nimmt.