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Menschenwürdige Arbeit
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Menschenwürdige Arbeit

Eva Reuter
Ein Beitrag von Eva Reuter, Katholische Pastoralreferentin, Betriebsseelsorge im Bistum Mainz / Regionalstelle Rheinhessen
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Vor ungefähr vier Wochen hat mich eine Schlagzeile aufhorchen lassen: „Polizei befreit Erntehelfer aus Sklaverei“. Ehrlich gesagt dachte ich: So was gibt’s doch nicht! Jedenfalls nicht in Europa – aber ich habe einsehen müssen: Doch – auch im Europa des 21. Jahrhunderts gibt es sklavenhafte Zustände. 

In Norditalien hat die Polizei im Juli 33 Männer befreit, die ihre menschenunwürdigen Behausungen nur verlassen durften, um auf den Feldern zehn bis zwölf Stunden als Erntehelfer zu arbeiten. Lohn erhielten sie zum Teil gar nicht. Diese Menschen waren unter falschen Versprechungen nach Italien gelockt worden. 

 

Eigentlich sollte es schon lange der Vergangenheit angehören

Heute denke ich wieder an diese Meldung, denn heute ist der Welttag zur Abschaffung der Sklaverei. Eigentlich ist man sich seit dem 19. Jahrhundert weltweit weitgehend einig darüber: Menschen dürfen keine anderen Menschen unfreiwillig in Abhängigkeit halten. Eigentlich sollte das dunkle Kapitel der Sklaverei schon lange der Vergangenheit angehören.

Zehn Millionen mehr als noch vor fünf Jahren

Und trotzdem besteht in vielen Ländern der Welt ein System, in dem Menschen in sklavenähnlichen Umständen unfrei sind. Die australische „Walk Free Foundation“ beteiligt sich an dem Kampf gegen moderne Sklaverei. Die Stiftung hat seit 2013 jedes Jahr einen globalen Index veröffentlicht - mit Schätzungen zur Verbreitung der Sklaverei in 167 Ländern. Im Index von 2023 wird geschätzt: weltweit sind insgesamt 50 Millionen Menschen versklavt – das sind zehn Millionen mehr als noch vor fünf Jahren. Besonders geflüchtete Menschen und Frauen landen häufig in ausbeuterischen Beschäftigungsverhältnissen. 

Jeder Mensch hat eine unverlierbareWürde

Für mich als Christin ist das nicht hinnehmbar. In der Bibel, im Alten Testament, steht: „Einen Fremden sollst du nicht ausnützen oder ausbeuten, denn ihr selbst seid im Land Ägypten Fremde gewesen.“ (2. Mose/Exodus 22,20). Auch das christliche Menschenbild erlaubt keine Versklavung: Jeder Mensch ist ein Geschöpf Gottes und hat eine unverlierbare Würde – schon allein deshalb darf ich niemanden als Sklavin, als Sklaven behandeln. 

Dann gibt es die Schale eben nicht für 2 Euro

Auch wenn ich selbst nicht direkt an Sklavenhaltung beteiligt bin: Mein Konsumverhalten fördert unter Umständen solche Verhältnisse. Wenn der Bauer den Erntehelfern nämlich einen anständigen Lohn zahlt, dann gibt es die Schale Erdbeeren eben nicht für 2 Euro, sondern dann kostet sie 4 bis 5 Euro. Natürlich entlastet das nicht die Schuldigen in Italien, Spanien oder wo auch immer, aber es erklärt, warum sie dieses System aufgebaut haben. 

Bei anderen Dingen vertraue ich auf faire Siegel

Vermutlich ist den meisten Kundinnen und Kunden der Discounter gar nicht bewusst, dass ihr günstiger Genuss auf dem Rücken armer Erntehelfer lastet. Ich versuche, mir bei meinen Einkäufen diese Ketten der Unterdrückung bewusst zu machen. Ich frage mich: Waren die Produktionsbedingungen eines günstigen Produkts gut – egal ob Erdbeere oder T-Shirt – und wurden die Arbeitenden menschenwürdig behandelt? Im Zweifel kaufe ich das Produkt, bei dem ich mir einigermaßen sicher sein kann, dass es fair produziert wurde. Bei Erdbeeren ist das einfach: Die kaufe ich beim Bauern, der sie selbst produziert hat. Bei anderen Dingen vertraue ich auf faire Siegel und hoffe, dass ich so etwas zur Abschaffung oder wenigstens zur Reduzierung der Sklaverei beitrage.

 

 

 

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