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Mit dem Samariter Solidarität einüben
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Mit dem Samariter Solidarität einüben

Rüdiger Kohl
Ein Beitrag von Rüdiger Kohl, Evangelischer Pfarrer, Frankfurt
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Die meisten Mitmenschen denken nur an sich selbst und nicht an andere. Konnte ich kaum glauben, als ich das in der Zeitung las. Doch drei Viertel der Bevölkerung in Deutschland ist davon überzeugt. Dieser Befund macht mir Sorgen. Wenn so viele Menschen der Solidarität anderer misstrauen und nichts mehr voneinander erwarten: Wie soll das klappen mit dem sozialen Zusammenhalt?

Die Hilfsbereitschaft religiöser Menschen ist groß

Hoffnung macht mir, was Yasemin El-Menouar herausgefunden hat. Sie ist Religionsexpertin der Bertelsmann Stiftung. Sie fragt in regelmäßigen Abständen Menschen nach ihrer sozialen Einstellung. Yasmin El-Menouar sagt: "Unsere Zahlen zeigen: Religion ist eine wichtige Quelle für Solidarität.“ So geben in den Befragungen 70 Prozent der religiösen Personen an, aktiv für Notleidende zu spenden. Ein hoher Wert. Die Hilfsbereitschaft für Geflüchtete ist bei religiösen Personen ebenfalls stärker. Das gilt für alle großen Religionen.

Vertiefte Analysen zeigen: Die religiöse Prägung in Kindheit und Jugend hat einen positiven Effekt. Sie hallt im Erwachsenenalter nach; selbst wenn sich die Menschen später weniger mit ihrer Religion verbunden fühlen.

Nächstenliebe: das religiöse Wort für Solidarität mit den Mitmenschen

In unserer Gemeinde üben Jugendlichen das. In der Konfirmandenzeit, mit dreizehn, vierzehn. Wenn sie sich mit Nächstenliebe auseinandersetzen. Das religiöse Wort für das, was andere Solidarität mit dem Mitmenschen nennen.

Das Gleichnis vom barmherzigen Samariter

Zur Liebe und Solidarität hat Jesus ein Gleichnis erzählt, das vom barmherzigen Samariter (Lukas 10,25-37). Jesus wird gefragt: Wer ist mein Nächster? Mit anderen Worten: Wem kann ich vertrauen? Jesus erzählt, wie ein Mensch auf einer Reise ausgeraubt und zusammengeschlagen wird und an der Landstraße liegen bleibt. Zwei Personen gehen vorbei, ohne ihm zu helfen. Ein dritter, jemand, von dem man es nicht erwartet, hilft ihm. Ein Mann vom Volk der Samariter verbindet die Wunden, setzt den Verletzten auf seinen Esel und übergibt ihn einem Wirt. Den bezahlt er für die Pflege.

Rollenspiele der Konfirmanden

Die Jugendlichen haben die Geschichte nachgespielt. Sie haben sich in die verschiedenen Rollen hineinversetzt. Ein paar spielten Verletzte, andere Vorbeigehende und auch Samariter. Mich hat es berührt, wie einige um Hilfe gebeten haben. Andere haben hinterher erzählt: Man fühlt sich nicht gut, wenn man einen Verletzten links liegen lässt. Wieder andere haben in ihrer Rolle spontan geholfen und damit gemerkt: Das hilft nicht nur dem Menschen in Not, sondern auch mir selbst.  

Religion kann eine Quelle für Zusammenhalt sein, wenn wir es einüben

Natürlich weiß ich nicht, ob diese Jugendlichen später zu denen gehören, die anderen eher vertrauen als misstrauen. Die hilfsbereit sind. Glauben und Vertrauen sind keine Garantie dafür. Aber eine gute Grundlage. Ich bin überzeugt: Religion kann eine Quelle für Zusammenhalt sein, wenn wir es einüben. Wenn ich ein Grundvertrauen in Gott und das Leben habe, kann ich mich anderen freier zuwenden. Ein Beitrag zum Zusammenhalt.

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