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Ablenkung ist wichtig
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Ablenkung ist wichtig

Uwe Groß
Ein Beitrag von Uwe Groß, Katholischer Diakon, Pfarrei St. Peter und Paul, Wiesbaden
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Schon oft hab ich die Frage gehört: „Ist das Glas nun halb voll oder halb leer?“ An der Frage, so heißt es, kann man den Optimisten vom Pessimisten unterscheiden. Vor kurzem hab ich in einer Zeitschrift gelesen, wie eine Psychologin bei einem Antistress-Seminar auf ein halbvolles Glas zeigte und die Frage gestellt hat: „Wie schwer ist dieses Glas?“ Die Teilnehmer haben sich verdutzt angeschaut. Sie hatten damit gerechnet, dass wieder die übliche Optimisten-Pessimisten-Frage kommt.

Je länger ich es halte, umso schwerer wird es

„Also wie schwer ist das Glas? “, hat die Psychologin noch einmal gefragt. Die Teilnehmer haben angefangen zu schätzen: vielleicht 200 Gramm oder 500 Gramm. Dann kam die überraschende Antwort der Psychologin: „Das absolute Gewicht spielt gar keine Rolle. Entscheidend ist, wie lange ich es halten muss. Es macht für mich einen Unterschied, ob ich es eine Minute oder zehn Minuten halten muss. Je länger ich es halte, umso schwerer wird es.“ Mir hat das sofort eingeleuchtet.

Den Teufelskreis von Stress und Sorgen durchbrechen

Stress und Sorgen, die sind ja wirklich wie dieses Glas Wasser. Wie schwer sie wiegen, hängt davon ab, wie lange sie mich beschäftigen. Wenn ich mich den ganzen Tag mit dem beschäftige, was mich niederdrückt, dann hat das ein anderes Gewicht, als wenn ich die Sorgen auch mal ausblenden kann. Ich kenne das von mir selbst: Nächte, in denen ich wach liege, weil mir alles möglich durch den Kopf geht: Probleme, die ich auf der Arbeit lösen muss, Besuche beim Arzt, belastende Dinge, die mir Freunde erzählen. Ich komme einfach nicht zur Ruhe, finde nicht in den Schlaf. Und ich erinnere mich auch an Nächte, in denen ich vor Sorgen geweint habe. Manchmal gelingt es mir, diesen Teufelskreislauf von stundenlangem Grübeln und dem lähmenden Kreisen um die Dinge, für die ich noch keine Antwort habe, zu durchbrechen.

Oft kommt die Lösung, wenn ich mich ablenke von dem Problem

Ich versuche mich abzulenken: Ich lese in einem Buch, schaue fern oder bete den Rosenkranz, ein Gebet, dass aus vielen Wiederholungen besteht. Ich lenke mich solange ab, bis ich so müde bin, dass ich einschlafen kann. Ich glaube, es ist manchmal wichtig, dass ich mich ablenke – gerade dann, wenn ich keine Lösung für ein Problem habe. Auch bei der Arbeit spüre ich, dass es manchmal wichtig ist, mich abzulenken. Wenn ich mal ein paar Minuten nicht an meine Probleme gedacht habe, komme ich meistens frischer und kreativer wieder. Das halbe Glas Wasser erinnert mich daran: Ablenkung tut meiner Seele gut.

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