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Frage und Antwort
Bild: Pixabay / Gerd Altmann

Frage und Antwort

Ralf Ruckert
Ein Beitrag von Ralf Ruckert, Evangelischer Pfarrer, Lahntal
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„Junge, was machst Du hier bloß?“ – hab ich mich gefragt.
Meine Kirchengemeinde hat im Kirchenasyl Platz für eine Person. Die muss mit wenig zufrieden sein. 

Unsere Dusche hat Warmwasser für genau vier Minuten. Die Küche muss nach jeder Benutzung in Top-Zustand gebracht werden, damit Gemeindegruppen sie nutzen können und aus dem Dorf keiner schimpft. 

Drohende Abschiebung

Jetzt hörten wir das: Mutter, Vater und drei Kinder sollten abgeschoben werden, die Kleinen fünf, vier und zwei Jahre alt: Aber der Vater nach Rumänien, Mutter und Kinder nach Kroatien. Sie würden getrennt werden!

Dabei hat Deutschland die Kinderrechtskonvention unterschrieben. Es ist verboten, Eltern und Kinder zu trennen – es sei denn zum Wohl des Kindes. 
Gerichtsentscheidung

Nicht so schlimm, entschied ein Gericht. Die Eltern hätten das in Kauf genommen. Der Vater war vorausgefahren – er ist der eigentlich Verfolgte. Die anderen kamen ein paar Wochen später. Wenn er nun in dem einen Land registriert wurde und sie in dem anderen, dann wird ihr Asylantrag nur jeweils dort bearbeitet. Später können sie von da Familienzusammenführung beantragen. 

Leider kann das Jahre dauern, wertvolle Jahre! Für die kleinen Kinder: kritische Jahre... 

Wir können auch nicht helfen!

Ich denk erstmal: Nee, wir können nicht helfen. Es ist zu eng. Die Dusche! Der Weg zu ihrem Zimmer: Jeden Tag zig Mal vorbei an meinem neuen Auto!

Kindgerecht betreuen? Wer soll das leisten?

Aber als Gemeinde… wir können auch nicht zusehen! 

Sie hätten einander nicht mal besuchen können, über die Grenzen zweier Mitgliedsstaaten hinweg. Also zogen sie bei uns ein, die fünf. 

Junge, was machst Du hier?

Der Tag kam: Hausführung gemacht, Papierkram erledigt, Kirchenasyl gemeldet. Eine Versicherung haben wir abgeschlossen, aus Angst um den Autolack und aus Angst vor dem Chaos, das nun kommen würde. Immer noch hab ich mich gefragt: Junge, was machst Du hier bloß?

Die Kinder hatten meinen Hund begrüßt und waren ohne Scheu kreischend hinter ihm her gesprungen. Dann waren sie aufgekratzt ins Bett gebracht worden: Ein Matratzenlager, in das sich von nun an für ein halbes Jahr die ganze Mannschaft kuscheln würde.

Ich will für die Nacht die Kirche abschließen und schlüpfe nochmal rein, um selbst zur Ruhe zu kommen. 

Eine Antwort im Andachtsbuch der Kirche

Da liegt ein Andachtsbuch für jeden Tag des Jahres. Ich schlage das Datum auf und weiß vorher nicht, was mich erwartet. Ausgerechnet... an diesem Abend... steht es da... wie eine Antwort auf meine Fragen: 

„Lasst die Kinder zu mir kommen! Seid ihnen nicht im Weg! Denn Leuten wie ihnen gehört das Reich Gottes.“
Und das Chaos? Blieb aus.

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