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Sandkörner
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Sandkörner

Claudia Biester
Ein Beitrag von Claudia Biester, Evangelische Pfarrerin, Bad Homburg
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 „Diejenigen Berge, über die man im Leben am schwersten hinwegkommt, häufen sich immer aus Sandkörnchen auf.“ Dieser Satz stammt von Friedrich Hebbel, einem Dichter, der von der Nordsee stammt.

Ein Leuchtturm über der Nordsee

Ein Berg aus Sandkörnern. Das erinnert mich an eine Landschaft in Dänemark, die ich gerne im Sommer besuche. Dort gibt es einen alten Leuchtturm. Er steht an einer Steilküste, hoch über der Nordsee. Im Jahr 1900 in Betrieb genommen, erstrahlte sein Signal weit über das Meer – genauso wie es sein soll. Doch dann kam der Sand: Körnchen für Körnchen.

Dann kam der Sand ...

Erst versandete der Gemüsegarten des Leuchtturmmeisters, dann der Brunnen. Danach Gebäude, Dächer, alle Winkel und Ritzen. Natürlich wollte man der Sache Herr werden. Man hat versucht den Sand abzutragen; versuchte, Strandhafer und Kiefern zu pflanzen. Aber all das half nichts, der Sand hing in den Zweigen. Er schichtete sich auf, wollte nicht weichen. Kleinste Sandkörner türmten sich auf zu hohen Bergen. Eine gewaltige Wanderdüne, die den Leuchtturm fast verschluckt. Irgendwann war er vom Meer aus nicht mehr zu sehen. 1968 musste er den Betrieb einstellen.

Auch Sorgen türmen sich manchmal auf wie Sandkörner

„Diejenigen Berge, über die man im Leben am schwersten hinwegkommt, häufen sich immer aus Sandkörnchen auf.“ - Lauter kleine Sorgen-Sandkörnchen. Aber wenn sie mehr und mehr werden, wachsen daraus unermesslich hohe Berge. Die Sicht trübt sich. Kein Ausweg, kein Licht ist mehr zu erkennen – wie bei dem versandeten Leuchtturm. Wie also über die Sorgenberge hinwegkommen?

Barfuß auf die Düne klettern

Die riesige Wanderdüne am Strand von Dänemark ist heute ein Naturschutzgebiet. Aber auf die Düne klettern – das ist erlaubt. Es ist allerdings gar nicht so leicht, sie zu besteigen. Am besten geht es barfuß. Wenn die nackten Füße im Sommer die sonnenwarme, rutschende Oberfläche des losen Sands spüren und die feuchte Kühle der etwas tieferen, festeren Schicht, dann merkt man, wo der Fuß Halt findet. Unter dem losen Sand befindet sich das Tragende, Feste, das mich nach oben auf die Düne bringt.

Auch unter Sorgen lässt sich etwas finden, das trägt

Ich stelle mir vor, dass es beim Sorgenberg auch so ist. Dass sich auch unter den Sorgen etwas finden lässt, das trägt. Das können andere Menschen sein, die da sind und zuhören. Oder etwas, das Freude macht und gut tut: rausgehen, Abstand kriegen, durchatmen. Für mich ist das Tragende mein Glaube. Ich glaube: wir Menschen müssen nicht alles alleine schaffen, und ich hoffe auf das Versprechen, dass Gott da ist. Dann, wenn meine Kräfte nicht reichen und die Sorgen mich erdrücken, hoffe ich auf Gott. Dass Gott mich hält, mich festen Grund spüren lässt und mir Kraft gibt für den nächsten Schritt.

 Fußabddrücke im Sand sind nur kurz zu sehen

Bei der Düne am Strand von Dänemark ist es irgendwann so: Der Aufstieg ist geschafft. Weit und staunend schweift der Blick über das Meer und die Sandlandschaft. Einen kleinen Moment ist der eigene Weg noch zu sehen - dann rutscht Sand nach und er ist verschwunden.

Der Sandberg und der Sorgenberg gehören in Gottes Hand

Für mich ein Ausblick, um gelassen zu werden. Hier oben wird deutlich: Die Landschaft ändert sich ständig. Manchen Berg kann ich überwinden. Manches ändert sich ganz ohne mein Zutun. Der Sandberg und der Sorgenberg gehören in Gottes Hand – und dort mögen sie bleiben und ich auch.

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