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Barfuß

Barfuß

Claudia Biester
Ein Beitrag von Claudia Biester, Evangelische Pfarrerin, Bad Homburg
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Vor ein paar Tagen habe ich einen Wanderausflug mit Freunden gemacht. Eine kleine Gruppe - Erwachsene und Kinder. Wir laufen und unterhalten uns miteinander. Die Stimmung ist gelöst. Der Weg führt über eine Wiese. Wiesenblumen und Kräuter, hohes saftiges Gras, daneben auch schattigere, moosige Flächen wechseln sich ab.

Nasse Schuhe beim Wandern

Der kleine Teich am Wegrand ist kaum zu sehen, er ist mit Entengrütze bedeckt. Wir sind ins Gespräch versunken, als von hinten jemand ruft: „Achtung, stopp!“ Aber da war es schon zu spät. Meine Freundin tritt ins Wasser. Die Schuhe sind nass, richtig nass – bis über die Knöchel.

Erst mal Pause machen

Erst einmal setzen wir uns auf die Wiese. Meine Freundin zieht die Schuhe aus, schwungvoll kippt sie das Wasser daraus auf den Boden. Erst schimpft sie, dann muss sie lachen. Alle anderen lachen mit ihr und bedauern ihre nassen Füße. Sie fragt: „Hat vielleicht irgendjemand Ersatzsocken dabei?“ Aber nein - niemand. Also erstmal trocknen lassen und Pause machen.

"Ich ziehe heute keine Schuhe mehr an. Ich laufe barfuß."

Die Kinder nutzen das aus: Sie ziehen ebenfalls ihre Schuhe und Socken aus, laufen zum Wasser, waten im flachen Ufer des kleinen Teichs. Sie lachen über die Entengrütze zwischen den Zehen und das Kitzeln vom Gras am Ufer unter den Sohlen. Ein Kind beschließt: „Ich ziehe heute keine Schuhe mehr an. Ich laufe barfuß. Das ist voll schön.“ Meine Freundin mit den ohnehin nassen Schuhen meint seufzend: „Ich laufe dann auch mal barfuß“. 

Barfußlaufen piekst und geht viel langsamer als in Schuhen

Nach und nach probieren das alle aus. Ich auch. Es ist ein ganz anderes Gefühl. Die Füße sind gar nicht abgehärtet, die Haut an den Sohlen ist zart und bloß. Vorsichtig taste ich mit jedem Schritt den Boden ab. Kleine Steinchen, Stacheliges … Barfußlaufen piekst und es geht viel langsamer als in Schuhen. Fast hatte ich es vergessen, ich habe es schon ewig nicht mehr gemacht.

Abgehärtet sein an den Füßen ist gut. Aber im Leben?

Wir sprechen über das, was wir spüren. Wie empfindlich die Haut an einigen Stellen ist. Überhaupt: Wie empfindlich wir Menschen in manchen Dingen sind. Wir sprechen auch über das Gegenteil davon: das abgehärtet sein. An den Füßen – da ist das ja noch ganz praktisch. Aber sonst im Leben? Ein abgehärtetes Herz – das will ich nicht.

Lieber offen sein mit zartem Sinn

Lieber bin ich auch im Herzen barfuß und mit zartem Sinn. Es macht das Leben reich, bewusst zu spüren. Wie fröhlich die Kinder am Teich sind und natürlich ich auch. Wie offen und freundlich alle an diesem Tag sind und wie gut das Miteinander zwischen uns ist – all das ist zu spüren. Aber auch die anderen Gefühle, will ich nicht missen. Die eher piksen auf der Seele, wie spitze Steine. Nur so kann ich vorsichtig ahnen, was andere Menschen empfinden könnten.

Wir genießen bei diesem Ausflug die eigenartige Langsamkeit beim Laufen. Wir unterhalten uns anders als sonst, erzählen einander mehr.  Ein besonderer Tag. Wie gut, dass niemand Ersatzsocken dabeihatte.

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