Hör mir zu!
„Hör mir doch zu!“ – Diesen Satz sagen ab und zu meine Kinder zu mir. Tatsächlich passiert es mir gelegentlich, dass ich eine Frage stelle, dann in Gedanken schon woanders bin und die Antwort nicht mitbekomme. Dann muss ich nochmals nachfragen. Mir ist das immer ein wenig peinlich, und ich kann gut verstehen, dass meine Kinder ungeduldig werden. Denn auch mir geht das so: Kaum etwas ärgert mich so sehr, wie wenn ich das Gefühl habe: Da hört mir jemand nicht zu. Das gilt für Alltagssituationen, aber mehr noch in Diskussionen oder in Konflikten. Wenn ich merke: Da will mir jemand nicht wirklich zuhören, da gibt sich jemand überhaupt keine Mühe, mich zu verstehen oder tut einfach ab, was ich sage, dann macht mich das beinahe wütend: „Hör mir doch zu!“ – das sage ich dann auch.
Neige das Ohr deines Herzens!
„Höre! Hör zu!“ Mit diesen Worten beginnt auch ein berühmter christlicher Text, die Mönchsregel des heiligen Benedikt. In der katholischen Kirche wird heute an ihn erinnert. Benedikt hat diesen Text vor ungefähr 1500 Jahren für die Mönche seiner Gemeinschaft in Monte Cassino in Italien verfasst. Seine Regel ordnet das Leben im Kloster, aber mehr noch ist sie eine Anleitung zu einem Leben, das ganz auf Gott ausgerichtet ist. Und sie beginnt mit dieser eindringlichen Mahnung zum Hören: „Höre, mein Sohn, auf die Weisung des Meisters“, heißt es, und es folgt ein wunderschönes Bild: „Neige das Ohr deines Herzens“. Das Hören steht am Anfang des Lebens im Klosters und ist der Ausgangspunkt des Wegs zu Gott, auf den der Mönch sich machen soll. Und weiter heißt es: „Nimm den Zuspruch des gütigen Vaters willig an und erfülle ihn durch die Tat.“
Lass dem Zuhören Taten folgen
Benedikt geht es um das geistliche Leben der Mönche, um die Ausrichtung auf Gott. Aber ich finde: Diese wenigen Sätze sind eine Anleitung zum guten Zuhören überhaupt: Hören, das heißt erst einmal: Sprich nicht selbst, gib dem, was dir gesagt wird, einen Raum, nimm dich ein wenig zurück. Das kommt, wie ich finde, noch mehr in diesem schönen Bild zum Ausdruck „Neige das Ohr deines Herzens“: Wende dich dem zu, der zu dir spricht, und zwar nicht nur äußerlich, sondern lass dich innerlich berühren von dem, was dir gesagt wird. Und schließlich: Nimm an, was dir gesagt wird und bleib nicht beim Hören stehen, sondern lass auch Taten folgen.
Was ich sage, ist etwas wert
„Hör mir doch zu!“ Wenn das gelingt, wenn mir jemand wirklich zuhört, das Ohr zuneigt: Dann tut das richtig gut. Es kommt an, was ich sage, da nimmt mich jemand ernst. Dann fühle ich mich anerkannt, das vermittelt mir: Was ich sage, ist etwas wert, ich bin etwas wert. Ich glaube: Echtes Zuhören, wie es auch der heilige Benedikt beschreibt, bedeutet, einem anderen eine ganz große Wertschätzung entgegenbringen, ihm einen hohen Stellenwert bei mir geben.
Wahrscheinlich macht genau dies das Zuhören so schwer, so anspruchsvoll, aber eben auch: so wertvoll und so wohltuend.