
Kafka und das kleine Glück
Der Schriftsteller Franz Kafka war ein humorvoller und feinsinniger Mensch. Das überrascht, denn in seinen Schriften geht es eher um Düsteres und Absurdes. Kafka wurde nur 40 Jahre alt. Heute ist sein Geburtstag. 2024 jährt sich sein Todestag zum 100.Mal. Deshalb wird er zurzeit gefeiert – und neu entdeckt.
Die Verwandlung - Eine Erzählung wie ein Albtraum
Von Kafka fällt mir als erstes die Erzählung „Die Verwandlung“ ein. Die Hauptperson wacht eines Morgens auf und ist ein Käfer und muss so weiterleben. Eine typische Kafka-Erzählung, phantasievoll, absurd, eine sinnlose Situation ohne Ausweg, wie in einem Albtraum.
Kafka tat sich schwer mit dem Leben: ein komplexes Verhältnis zum übermächtigen Vater, ein langweiliger Brotberuf als Jurist bei einer Versicherung und die Angst vor Bindungen zu Frauen. Krankheiten plagten ihn, auch starke Selbstzweifel und Depressionen.
Ein neuer Film über Kafka: Die Herrlichkeit des Lebens
Da überrascht der Titel, den ein neuer Film über Kafka trägt: Die Herrlichkeit des Lebens. Der Film erzählt über Kafkas kurze Liebe zur Tänzerin Dora Diamant. Kafka ist bereits unheilbar an Tuberkulose erkrankt. Zum ersten Mal kann er sich der Liebe einer Frau ganz hingeben. Erzählt ihr von seinen Macken, dass er zum Beispiel nur nachts und allein schreiben kann. Kafka geht mit Dora nach Berlin, wo sie lebt. Er kann sogar in ihrer Gegenwart schreiben und arbeiten. Schließlich wird die Tuberkulose immer schlimmer, Kafka verlebt seine letzten Monate in einem Sanatorium, kann kaum noch sprechen und schlucken. Dora ist bei ihm.
Mich berühren Sätze von Kafka, die der Film zitiert. Positive Zitate, die zeigen: Kafka ist gar nicht so negativ eingestellt wie angenommen. Er hat einen feinen Sinn für Humor. Er schätzt das Schöne in der Welt, mitten in seinem Leiden.
"Am größten ist das Glück, wenn es ganz klein ist, ..."
So schreibt Kafka: „Am größten ist das Glück, wenn es ganz klein ist, deshalb würde ich, wenn ich mein Leben aufschreiben müsste, nur Kleinigkeiten notieren.“ Und er schreibt auch: „Ich glaube, dass die Herrlichkeit des Lebens immer in ihrer ganzen Fülle bereitliegt…, aber unsichtbar. Ruft man sie beim richtigen Namen, dann kommt sie.“[1]
Ich finde diese Vorstellung wunderschön: Das Glück ist in Kleinigkeiten präsent. Die Herrlichkeit des Lebens liegt bereit, ich muss sie nur wahrnehmen und die richtigen Worte dafür finden. Für mich ist das ein religiöses Zitat. Hinter die Oberfläche und den Schein schauen und die Tiefendimension Gottes erkennen.
Die Glücksmomente im eigenen Leben suchen
Kafkas Gedanken haben auch die Schauspielerin beeindruckt, die in dem Film Dora Diamant verkörpert, die Freundin Kafkas. Sie versteht seine Worte als Aufforderung und sagt: „Die kleinen Momente wahrzunehmen und darin die ganze Fülle der Herrlichkeit zu erkennen und wertzuschätzen. Weil wir ja alle dazu tendieren, eher den Dingen nachzutrauern, die wir nicht haben und dabei nicht mitzukriegen, was alles da ist. Kafka lädt ein, die kleinen Glücksmomente im eigenen Leben zu suchen.
[1] Kafka Tagebücher, 18.10.1921
Zum Foto: Hier konnten wir Ihnen sechs Wochen nach Sendung ein Foto einer Kafka-Ausstellung zeigen. Aus Rechtegründen später nur noch ein Schmuckbild.