
Die Würde des Menschen
Es ist gerade mal einen Monat her, dass wir „75 Jahre deutsches Grundgesetz“, gefeiert haben, eigentlich müsste man sagen: bundesdeutsches Grundgesetz. Viele Menschen sind zu diesem Anlass interviewt worden, was ihnen denn zum Grundgesetz einfiele oder was sie am deutschen Grundgesetz schätzen würden. Und die allermeisten zitierten den ersten Satz des Grundgesetzes, den Beginn des Artikel 1: Die Würde des Menschen ist unantastbar.
Die Menschenwürde – als Basis für alle Rechte und Pflichten
Auch mir wäre direkt dieser Satz eingefallen, als Basis für alle Rechte, Pflichten und Gesetze, um die es anschließend geht. Wie so ein Intro: Und bevor ihr jetzt weiterlest: die Menschenwürde ist unantastbar. Punkt.
Jeder Mensch ist wertvoll
Doch was heißt das denn? Was ist denn Würde, Menschenwürde? Und wird sie nicht ständig angetastet und sogar verletzt? Menschenwürde, so lese ich, bedeutet, dass jeder Mensch wertvoll ist, weil er ein Mensch ist. Also unabhängig davon, wo jemand herkommt, ob jemand Frau, Mann, trans oder non-binär ist, ob und wenn ja, welcher Religion er angehört, ob alt oder jung, krank oder gesund, mit oder ohne Schulbildung, arm oder reich, und diese Liste könnte man noch lange weiterführen.
Unabhängig davon, ob die Person „Leistung oder Nutzen bringt“
Es gibt aber noch zwei Aspekte, die mir gerade besonders wichtig sind: erstens: eine Person hat Würde, unabhängig davon, ob sie etwas leistet und „nützlich“ ist oder nicht.
Menschen in Alten- und Pflegeheimen sehen und wertschätzen
Ich arbeite als Seelsorgerin in mehreren Alten- und Pflegeheimen. Viele alte Menschen haben das Gefühl, nicht mehr gesehen zu werden, nicht mehr dazu zu gehören zu ihren früheren Kreisen, und oft ist das tatsächlich so. Manche fühlen sich nutzlos, weil sie ihr Leben lang etwas leisten mussten und das jetzt nicht mehr geht – und so zweifeln sie auch selbst an ihrer eigenen Würde. Und ich finde, es ist unsere Aufgabe, die Aufgabe derer, die dort arbeiten, und derer, die dort Besuche machen, dazu beizutragen, dass diese Menschen ihre Würde wieder spüren. Indem wir sie sehen, indem wir ihre Grenzen achten, indem wir fragen, was sie wollen. Das ist in Zeiten des Pflegemangels oft leichter gesagt als getan.
In dieser Begegnung ist viel Würde
Mir fällt da eine Heilungsgeschichte aus der Bibel ein. Jesus fragt einen blinden Bettler: „Was willst du, dass ich dir tue?“ Und er antwortet: „Herr, ich möchte sehen können.“ Und Jesus heilt ihn (Lukasevangelium 18,41-42). Ich finde, in dieser Begegnung ist viel Würde: gesehen und gefragt werden!
Egal, ob die Person mir vertraut oder sympathisch ist
Und der andere Aspekt, der mich gerade beschäftigt: Die Würde des Menschen besteht unabhängig davon, ob mir die andere Person vertraut oder fremd ist, ja sogar, ob sie mir sympathisch oder unsympathisch ist.
Und das ist auch eine klare Haltung gegen jede Art von Rassismus und von Diskriminierung!
Wenn sich Menschen zuallererst als Menschen sehen würden
Und selbst die furchtbaren aktuellen Kriegssituationen hätten eine größere Chance, beendet zu werden, wenn sich Menschen zuallererst als Menschen mit Würde und dann erst als Fremde oder Feinde sehen könnten.
Eine Europameisterschaft mit fairem, würdevollem Umgang
Und ich hoffe so sehr, dass die Europameisterschaft ohne rassistische Attacken und ohne menschenfeindliche Verletzungen der Würde auskommt und stattdessen das Miteinander und den gegenseitigen Respekt stärkt. Da möchte man doch gerne AMEN sagen, denn das bedeutet: So sei es.