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Zeit der Mauser
Pixabay/Ralph

Zeit der Mauser

Sabine Müller-Langsdorf
Ein Beitrag von Sabine Müller-Langsdorf, Evangelische Pfarrerin, Zentrum Oekumene, Frankfurt
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Ein großes Familienfest zu einem runden Geburtstag in einem Lokal am Main im Frühsommer. Glück gehabt mit dem Wetter. Die Kinder spielen am Ufer, die Alten freuen sich über das Wiedersehen und blicken dankbar auf das lange Leben des Jubilars zurück. Der Blick geht in die Runde. Wenn er auf einem jüngeren Menschen ruhen bleibt,  fallen Sätze wie: „Der hat sich aber gemausert. Die ist aber groß geworden.“

Die Zeit der Mauser ist eine Zeit der Wandlung

Da kommt eines der Kinder vom Ufer gerannt und ruft: „Schaut mal, da ist eine Ente krank.“ Ich gehe mit zum Fluss und entdecke Familie Stockente. Der Erpel sitzt etwas abseits im Schilf und schaut mich geradezu schüchtern an. Er scheint nicht fliegen zu können. Sein Gefieder ist zerfleddert und eher grau als bunt. Ich sage dem Kind: „Lass ihn, vielleicht ist er krank oder in der Mauser“. Später lese ich nach, dass Stockenten in der Mauserzeit manchmal tatsächlich für einige Wochen nicht fliegen können. Das erklärt den Rückzug, das Verstecken. Die Zeit der Mauser ist eine Zeit der Wandlung. In dieser Zeit ist der Vogel sehr verwundbar. Er kann sich und das Nest nicht schützen, weil er flugunfähig ist. Er muss geduldig und unauffällig warten, bis ihm die Steuerfedern nachwachsen. Alles hat wohl seine Zeit. Man nennt die Zeit der Wandlung bei der Stockente „Schwingenmauser“.

Auch Menschen können sich mausern

Ich denke an das Familienfest, die Alten und die Jungen und den Satz „Der hat sich aber gemausert.“ Manch eine Zeit im Menschenleben ist wie eine „Schwingenmauser“. Sie katapultiert einen Menschen aus den gewohnten Zusammenhängen hinaus für eine Weile. Ob in der Pubertät oder in anderen Lebensphasen. Auch bei Erwachsenen gibt es solche Mauser-Phasen. Auf einem Familienfest bekommt man davon meist nur am Rande etwas mit.

"Alles hat seine Zeit" sagt die Bibel

Wie gut wäre es, der Weisheit der Stockente zu folgen: sich einfach mal verstecken. In Ruhe gelassen werden. Einen sicheren Ort im Schilf haben. Nicht fliegen müssen. Die Zeit der Mauser ist eine Zeit, in der Altes abfällt, Neues noch nicht da ist. Zeiten der Wandlung sind Zeiten der Verwundbarkeit. Der Wandel gehört zum Leben. „Alles hat seine Zeit“ sagt die Bibel“.

Aus der Zeit der Mauser geht man meist gestärkt und schöner hervor. Wie der Erpel am Main. Im Herbst wird er sich in prächtigem Federkleid erheben und leicht fliegen.

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