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Die Smiley-Wurzel
GettyImages/PAVEL IARUNICHEV

Die Smiley-Wurzel

Sabine Müller-Langsdorf
Ein Beitrag von Sabine Müller-Langsdorf, Evangelische Pfarrerin, Zentrum Oekumene, Frankfurt
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Auf asphaltierten Wegen wachsen manchmal dicke Wurzeln aus der Erde heraus und sprengen den Asphalt oder den Wegsaum. Auf meinem täglichen Arbeitsweg mit dem Rad gibt es auch solche Stellen.

Eine Wurzel mit Gesicht

Hoppelig ist es da. Und es gibt diese eine freche Wurzel, die aus dem Belag schaut. Jemand hat mit weißer Farbe ein lachendes Gesicht auf die Wurzel gemalt. Es strahlt mir zerfurcht vom knorrigen Holz fröhlich aus dem gerissenen Asphalt entgegen.

Ein kleines Kunstwerk auf dem Weg

Jedes Mal entlockt mir das kleine Kunstwerk ein Lächeln. Ich freue mich über die Fähigkeit, die ein unbekannter Mensch da hat: in einem kleinen unscheinbaren Detail am Weg etwas zu sehen, das sich verwandeln lässt, zur Freude der Mitmenschen. Oder auch zur Mahnung: seht die Bäume als Lebewesen, wie sehr sind sie einzwängt unter dem Asphalt.

Ich bin dem Künstler dankbar für seinen Blick. Was wäre, wenn die Bäume reden könnten? Was hätten sie zu sagen? Mit welchem Gesicht würden sie mich anschauen? Sind sie traurig oder fröhlich, können sie weinen?

Bäume, die vor Freude in die Hände klatschen

Ich bin keine Baumflüsterin, aber das lachende Gesicht auf der Wurzel am Fahrradweg erinnert mich an ein Bild in der Bibel. Da ist von Bäumen die Rede, die in die Hände klatschen können vor Freude. Für den Propheten Jesaja tun sie das, wenn Menschen auf ihrem Lebensweg Gott suchen und finden. Das gefällt mir gut. Applaus fürs Suchen und Entdecken von Neuem, von tief Verwurzeltem, von Gott.

Glaube will auch immer neu gefunden werden

Die Wurzel mit dem lachenden Gesicht und die Bäume, die in die Hände klatschen, beide locken mich zum Staunen und Schmunzeln. Lassen mich Vertrautes neu sehen. So ist es mit dem Glauben. Alt und ewig da wirkt er. Gleichzeitig will Glaube immer neu gefunden werden. Ich finde ihn oft eher zufällig, am Wegesrand, auf den zweiten Blick. Der Altes neu erscheinen lässt und Tiefes sichtbar macht.

Ich zwinkere der Wurzel freundlich zu und freue mich aufs Wiedersehen. Wo Wurzeln Augen haben und Bäume in die Hände klatschen, da ist die Verwandlung der Welt im Gange.

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