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Was ich säe und die nach mir ernten
Pixabay/Nico Wall

Was ich säe und die nach mir ernten

Ein Beitrag von Dr. Christine Lungershausen, Evangelische Pfarrerin, Eschborn
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Der große Baum vor unserer Kirche schenkt frische Luft und Ruhe und kühlenden Schatten. Jemand vor vielen Jahrzehnten hat die Eiche gepflanzt. Und wir ernten heute die Früchte: Kühle und Frische vor der Eschborner Kirche. Daneben flutet der Verkehr, es gibt Beton, Stein und Asphalt. Doch unter der Eiche ist es schattig und kühl. Wie häufig ist das so: Generationen vor uns haben etwas gesät und wir ernten die Früchte.

Auch bei Wahlen säen und ernten wir

Auch beim Wählen säen und ernten wir. In gut zwei Wochen ist Europawahl, am 9. Juni. Die Menschen in Europa wählen, wer für sie in den nächsten fünf Jahren politische Entscheidungen treffen soll. Wir wählen die Menschen, die sich auch damit befassen, wie es mit Umwelt und Klima weitergeht. Im Detail geht es zum Beispiel um umstrittene Pestizide wie Glyphosat oder um Normen für Abgase.

Parolen können Saatgut sein

Auch im Wahlkampf wird gesät: Parolen werden gerufen. Solche Sätze sind Saatgut in Köpfen und Herzen. Aus solchen Sätzen können Überzeugungen werden: Zum Beispiel: Freundschaft und Verbundenheit in Europa machen uns stark. Oder im Gegenteil: Allein sind wir besser dran.

Solche Sätze spiegeln die Haltung wieder, die Wähler schon hatten oder sich neu aneignen. Sie tragen dazu bei, dass sie zu Lebenshaltungen werden. Noch weitergedacht, ernten die nächsten Generationen dann die Konsequenzen dieser Haltungen.

Was ist für die Zukunft wichtig?

Ich jedenfalls bin überzeugt: Wenn ich zum Beispiel jetzt wähle: „Ich will immer und überall Auto fahren“, ernte ich in den nächsten Jahren noch mehr Asphalt und weniger fruchtbaren Boden für Getreide oder Erdbeeren. Ich frage mich: Was sollen die Menschen in zehn oder fünfzehn Jahren ernten können? Welche Haltungen sollen ganz selbstverständlich geworden sein?

Das Saatkorn Mut und das Saatkorn Weitsicht

Ich selbst möchte zwei verschiedene Saaten säen. Weil ich denke, dass diese Früchte eine gute Ernte sind für die nächsten Generation: Das Saatkorn Mut und das Saatkorn Weitsicht. Mut dafür einzustehen, dass ich auch mit weniger auskomme, weniger Flugreisen, weniger Heizen, weniger Wohnraum. Ich vertraue darauf, dass ich stattdessen auch mehr bekomme. Mehr Dankbarkeit, Mehr Gemeinschaft.

Mehr wertschätzen, was ich schon habe. Ich wünsche mir, dass ich mich mehr bewege und mehr lache. Um das gemeinsam anzugehen, braucht es Mut.

Auch unsere Enkel sollen noch ernten können, was wir gesät haben

Und ich wünsche mir als zweites Saatgut Weitsicht. Die Fähigkeit, nicht nur meine eigenen Interessen im Blick zu haben. Die Enkel sollen die Früchte ernten können, die unsere Weitsicht eingepflanzt hat. Weitsichtig will ich bei der Wahl für das stimmen, was nach meiner Meinung ihnen nützen wird. Womit Leben auch später noch gut möglich sein wird.

Für Weitsicht gibt es gute Vorbilder. Für mich sind es auch die Vorfahren, die Bäume gepflanzt habe. Wie die Eiche vor unserer Kirche. Heute ernte ich die Früchte, Schatten und Kühle und gute Luft. Ich will auch etwas Gutes säen für die nach mir.

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