Wir atmen dieselbe Luft
Ich sehne mich nach Verbundenheit. Ich möchte spüren: Ich gehöre mit anderen Menschen zusammen. Ich will nicht so viel Ich, sondern das Gefühl: Ich bin mit anderen verbunden.
Sehnsucht nach Verbundenheit - aber nicht immer
Doch noch bevor dieses gute Gefühl in mir aufkommt, nimmt mir jemand auf dem Weg zur Arbeit am Zebrastreifen mein Recht, darüber zu gehen und rast hupend davon. Oder ich höre im Bus Gesprächsfetzen. Da äußert jemand stumpfe, gierige Parolen, Hass-Rede über Minderheiten. Dann fühle mich überhaupt nicht verbunden, sondern verletzt und besorgt.
Wie kann ich mit beidem gleichzeitig leben: Auf der einen Seite die Sehnsucht nach Verbundenheit. Auf der anderen, dass oft das „Ich“ und „meine Vorfahrt“ wichtiger genommen werden als Rücksicht und Gemeinschaft.
Wir atmen alle dieselbe Luft und brauchen Raum zum Leben
Ich überlege, was uns eigentlich verbindet. Wir atmen dieselbe Luft: Die schreienden Säuglinge beim Kinderarzt gegenüber, die Senioren im Nachbarhaus, die öfters mal nachts feiern, wir atmen dieselbe Luft. Jeder Mensch ist verletzlich und voller Lebenskraft. Wir sind verbunden. Verbunden darin, dass wir Raum zu leben brauchen und die Sicherheit, dass niemand uns diesen Raum wieder streitig macht. Verbunden darin, dass wir mal von Ängsten geplagt sind. Mal von Liebe durchströmt sind und mal von Husten geschüttelt. Wir teilen diese Welt.
Gott verbindet uns
Ich glaube darüber hinaus: Gott verbindet uns, Gott, die Schöpferin, die jeder und jedem Lebensatem gibt: mir genauso wie denen, die mir mit ihrem Feiern den Nachtschlaf rauben. Vielleicht kann diese Kraft uns auch miteinander verbinden.
Wir hätten viel mehr Kraft, wenn wir zusammen unterwegs wären
Ich gehe davon aus, dass sich die meisten Menschen danach sehnen, gesehen zu werden und anerkannt zu sein. Vielleicht auch mit manchen Lachen und Weinen zu teilen. Oft sind wir aber alleine unterwegs. Wie viel Kraft hätten wir, wenn wir verbunden wären! Ich ahne, wie viele Menschen die Angst um die Welt teilen. Und trotzdem sitze ich oft allein mit diesem Gefühl. Wie trostreich und kraftvoll könnte es sein, das zu teilen.
Verbundenheit ist eine innere Entscheidung
Mir ist etwas klar: Verbundenheit ist nicht immer ein warmes, wohliges Gefühl. Sondern Verbundenheit ist eine innere Entscheidung: Ich lasse mir nicht nehmen, mich verbunden zu fühlen mit anderen Menschen. Egal, wie er oder sie sich verhält. Ob er mir die Vorfahrt nimmt oder mir mit dem Feiern den Nachtschlaf raubt. Ich lasse mir meine Sehnsucht nach Verbundenheit nicht nehmen.
Ich entscheide mich dafür, mich zu verbinden – und dann fühle ich es vielleicht auch. Ich hab‘ das schon erlebt, wenn ich mich entschieden habe, einem anderen freundlich in die Augen zu sehen, auch wenn wir nicht einer Meinung sind. Ich hab‘ dann erfahren, wie diese Entscheidung eine freundliche Antwort bekommen hat. Auch das eröffnet, wonach ich mich sehne: Wir sind einen Moment miteinander verbunden.