Mir reicht's, ich geh schaukeln
Mir reichts, ich geh schaukeln! Diese Botschaft schickt mir eine Bekannte, die gerade zu viel tun hat. Da klingt in mir etwas an: Ich brauche auch mehr Pausen. Freispiel für die Seele, wie einen inneren Kinderspielplatz. Viel zu sehr türmen sich oft die Anforderungen – und ich merke, dass ich mich eher verbissen hindurcharbeite und viel zu sehr das Lachen vergesse. Sicher übersehe ich auch, was ich sein lassen könnte.
Zeit haben, ohne Druck und Ziel
Ich brauche Zeit, in der ich keinen Druck spüre und kein Ziel verfolge. Ich finde das, wenn ich auf einem Spielplatz schaukle. Ich schwinge hoch in die Luft und kann weit blicken. Und dann schaudert es mich, die Schaukel schwingt zurück und es fühlt sich kurz an, als würde ich fallen. Dann kriege ich neuen Schwung und schwinge wieder nach vorne.
"Wenn es zu viel ist, höre auf!"
Was ich finde, wenn ich schaukle, hat der Soziologe Hartmut Rosa auf den Punkt gebracht. Er beschreibt, was hilft bei Überlastung.[1] Ganz knapp sagt er: Wenn es zu viel ist, höre auf!
So weit wäre ich vielleicht auch ohne einen Soziologen gekommen. Und vor allem: Das geht doch nicht immer. Ich kann nicht mittendrin aufhören, wenn ich zum Beispiel ein Kleinkind füttere. Oder eine Straßenbahn führe. Natürlich nicht.
Manche Kalender sind einfach zu voll
Doch mal sehen, so meint er es auch nicht. Seine Analyse klingt klug: Viele machen so viel. Manche Kalender sind so voll, dass ihre Besitzer aggressiv werden. Auch die friedlichsten. Dann kommt man auf Gedanken wie: Wäre der Mensch in der Schlange vor mir nicht da, ging‘s schneller. Ich kenn das auch von mir: Dass so viel ist, so beschleunigt, dass die Mitmenschen zur Last werden und ich mir selbst auch.
Aufhören - mich unterbrechen - durchatmen
Da rät Soziologe Hartmut Rosa: Ich soll aufhören… mich unterbrechen, durchatmen. Und: hören, aufhören und aufhorchen. Aufhorchen und mich fragen: Braucht es das wirklich, was ich da mache?
Nicht verbissen weiterarbeiten, sondern auch mal auf grundsätzliche Fragen hören
Tatsächlich ist das manchmal so: Ich bin so verbissen, meine lange Liste abzuarbeiten, dass ich den Überblick verliere. Ich kann nicht mehr klar unterscheiden: Braucht es diese Mail wirklich oder kann ich das auch sein lassen? Innehalten ist auf jeden Fall gut. Und auch hinhören auf grundsätzliche Fragen: Wofür möchte ich leben und wofür bin ich in diese Welt gerufen? Vielleicht braucht es dann vieles andere nicht.
Das Innehalten und die Fragen sollen nicht schon wieder zusätzliche Aufgaben sein. Es soll mich erleichtern. Als würde mir jemand zurufen: Wenn’s Dir reicht: Geh schaukeln. Und spielen. Und hören. Du bist in die Welt gerufen für Deine Gabe, genau Deine Gabe. Bring sie ein.
Also gehe ich eine Runde spazieren. Wer weiß, vielleicht finde ich auf dem Weg ja eine Schaukel.
[1] Hartmut Rosa, Demokratie braucht Religion. München 2022.