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Der verkaufte Schatten
Bild: Hamsterfreund_pixabay

Der verkaufte Schatten

Dr. Susanne Nordhofen
Ein Beitrag von Dr. Susanne Nordhofen, Ehemalige Leiterin eines katholischen Gymnasiums in Königstein/Taunus
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Vor kurzem hab’ ich wieder einmal die Geschichte gelesen von Peter Schlemihl, der seinen Schatten verkauft. Ein Märchen aus dem 18. Jahrhundert ist das. Und es hat mich heute neu ins Nachdenken gebracht darüber, was auch für mich wirklich zählt im Leben.  

In letzter Minute kapiert er die Falle

Am Anfang der Geschichte gerät der arme junge Mann auf eine vornehme Gartenparty mit lauter wohlhabenden Leuten. Sie reiben ihm unter die Nase: „Haste was, dann biste was“. In seiner Situation ist das ziemlich bitter für ihn. Da kommt ihm ein grauer Herr gerade recht: Der kauft ihm seinen Schatten ab gegen eine Geldbörse, die niemals leer wird. Das ist ein gutes Geschäft, denn wozu braucht er einen Schatten? Das Materielle hat für ihn gerade höchste Priorität. Allmählich merkt er aber: Er hat sich verkalkuliert. Die anderen Menschen finden ihn unheimlich und meiden ihn nun erst recht, weil sie merken, dass ihm etwas fehlt. Was ist das für ein Körper, der keinen Schatten wirft? Der unerschöpfliche Reichtum bringt ihm nicht das erhoffte Glück. Als er deswegen verzweifelt, bietet der graue Mann ihm an, den Handel rückgängig zu machen. Jetzt soll er aber seinen Schatten für seine Seele eintauschen. In letzter Minute kapiert er die Falle, in die er getappt ist. Der Schattenverkauf war nur das Vorspiel, aber nun geht es ums Ganze. Auf diesen faustischen Pakt lässt er sich nicht ein. Seine Seele will er nicht hergeben. Lieber flieht er in die Einsamkeit.

Der Schatten jedes Menschen ist unverwechselbar

Die Geschichte vom Mann, der seinen Schatten verkauft, stammt vom Dichter Adelbert von Chamisso und hat mich immer wieder fasziniert. Auf die Idee muss man erstmal kommen! Und deshalb habe ich früher selber Schattenrisse von anderen angefertigt. Das geht ganz einfach: Eine Lichtquelle hinter dem Kopf der Person, davor ein Blatt Papier, fertig. Wenn man präzise gearbeitet hat, erhält man das charakteristische Profil der Person. Der Schatten gehört zu einem dazu, er ist individuell und unverwechselbar. Wenn ich den Schatten von jemandem sehe, dann weiß ich meistens, wer da auf mich zukommt. Niemand kann den Schatten stellvertretend für jemand anderen übernehmen.

Aber es ist dein eigener Glaube, der dir hilft

Ein Schatten ist etwas Besonderes: Davon erzählt auch die Apostelgeschichte der Bibel.  Als der Apostel Petrus in der Nachfolge Jesu Kranke heilt, verbreitet sich sein Ruf überall hin, und viele Menschen suchen seine Hilfe.  Einige sind sogar schon froh, wenn wenigstens sein Schatten auf sie fällt, wenn er an ihnen vorübergeht (Apg 5,12-16). Weil er ein „heiliger Mann“ ist, hat sogar noch sein Schatten göttliche Heilkraft. Darauf vertrauen sie. Aber es ist ihr eigener Glaube, der sie gesund gemacht hat. So wie Jesus immer sagt, wenn er jemanden geheilt hat: „Dein Glaube hat dir geholfen.“ Gesundheit und Glück gehören genau wie das Seelenheil zu den Dingen, die man sich nicht kaufen kann.

Die Seele, sein Unsterblichstes, hat zuletzt die höchste Priorität

Über die Bedeutung des Schattens komm’ ich immer wieder mal ins Grübeln. In dieser Geschichte gehören Schatten und Seele zusammen. Schlemihl hat zuletzt verstanden, dass sein Schatten etwas ganz Besonderes ist und wie leichtfertig er seine Seele des Geldes wegen aufs Spiel gesetzt hat. Sein Unsterblichstes hat zuletzt für ihn doch die höchste Priorität. Und ich frage mich manchmal, ob mir das selber auch immer so bewusst ist.

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