
Stephanus – der erste Märtyrer und Diakon
Guten Morgen liebe Hörerinnen und Hörer an diesem zweiten Weihnachtstag!
Von Herzen wünsche ich Ihnen ein gesegnetes Fest der Geburt unseres Herrn und Gottes Jesus Christus! Gemeinsam dürfen wir uns über einen zweiten Feiertag freuen, der uns helfen kann, dem Inhalt des Weihnachtsfestes auf die Spur zu kommen.
Ich weiß nicht, wie es Ihnen jedes Jahr oder dieses Jahr besonders mit diesen Festtagen geht. Vieles hängt ja von unserer jeweiligen Lebenssituation ab. Bin ich Teil einer großen Familie, die miteinander das Fest begeht. Genießen Sie traute Zweisamkeit oder gegebenenfalls die angenehme Besinnlichkeit, die man auch alleine gestalten und erleben kann?
Es kann natürlich auch ganz anders aussehen: Wo viele Menschen zusammen sind, gibt es unterschiedliche Erwartungen und infolgedessen auch Potenzial für manche Reiberei. Die Zeit zu zweit, so ganz ohne Einfluss von außen, mag manche Unstimmigkeit zu Tage fördern, die Stille allein kann zur schreienden Einsamkeit werden.
Daneben gibt es noch die anderen Begleiterscheinungen, die unser Leben mit sich bringen kann, auf der Skala von „erfreulich sorgenfrei“ bis zu „überfordernd bedrohlich“. Vom behaglichen Weihnachtszimmer bis auf die Schlachtfelder in den Kriegs- und Krisengebieten dieser Welt kann alles nur Denkbare vorkommen.
Irgendwas ist immer noch zu erledigen
Ich kann Ihnen heute Morgen vom Weihnachtsfest eines Pfarrers in einer Landpfarrei mitten in der Rhön erzählen. Wie oft wünsche ich mir, dass einige Tage vor dem Fest Ruhe einkehrt, alles Äußere vorbereitet ist und ich geistlich und gerne auch einmal meditativ in meine einzelnen Gebetszeiten und Gottesdienste mit den Gemeinden eintreten könnte. Es ist mir bisher noch nie gelungen. Irgendetwas ist bis zuletzt immer noch schnell zu erledigen und vorzubereiten. Bei manchen Dingen muss ich dann, zumindest für mich gefühlt, „Fünfe gerade sein lassen“.
Doch wenn das Fest dann vorüber ist, schaue ich eigentlich immer zurück auf wunderschöne und berührende Gottesdienste, frohe Begegnungen mit Menschen aus der Gemeinde und der Familie und kann sagen: „Es war wieder einmal schön.“ Seit einiger Zeit bin ich sogar der Meinung, Weihnachten ist echter, wenn es nicht zu perfekt und zu glänzend daherkommt. Wenn es stimmt, was das Lukasevangelium über die erste Weihnachtsnacht sagt, nämlich, dass es dem Hl. Josef für die Geburt des Christuskindes gerade mal gelungen ist, auf den letzten Drücker und mit Ach und Krach Unterkunft in einem stinkenden Stall zu finden, dann können wir manchen Weihnachtsstress gut und gerne unter dem Stichwort „Herbergssuche“ verbuchen.
Musik: J. S. Bach - Weihnachtsoratorium BWV 248: Ach du mein liebes Jesulein - Knabenchor Bremen Ltg. Ulrich Kaiser
Ich denke, jeder von uns hat seine ganz eigene Vorstellung, wie ein gelungenes Weihnachtsfest für ihn oder sie aussehen sollte. Vieles hängt davon ab, wie wir Weihnachten als Kinder erlebt haben und was uns davon als wertvoll in Erinnerung geblieben ist. In der Realität der Gegenwart mag dann manches anders aussehen. Doch wie dem auch sei: Weihnachten ist ein Fest mit vielen Emotionen, da sind wir empfänglich für Behaglichkeit, mitunter aber auch äußerst empfindsam für alles, was verletzen kann. Da kann ein Blick auf das Kind in der Krippe, dass da "elend, nackt und bloß liegt", wie es in einem Weihnachtslied heißt, ein treffendes Bild für unsere eigene Gefühlswelt sein.
Wer am zweiten Weihnachtstag in der katholischen Kirche einen Gottesdienst mitfeiert, mag zunächst verwundert sein, dass da das eigentliche Weihnachtsgeschehen etwas in den Hintergrund rückt. Am 26. Dezember feiert die Kirche das Fest ihres ersten Märtyrers, des Hl. Diakons Stephanus. Dies hängt damit zusammen, dass in der Kirche erst im 8. Jahrhundert beschlossen wurde, Weihnachten eine ganze Oktave lang, also acht Tage zu feiern. Die Gedenktage der Heiligen, die zuvor schon in der Kirche begangen wurden, wurden nicht verlegt, sondern in den Weihnachtsfestkreis eingebunden.
Stephanus – der erste Märtyrer und Diakon
Die Diakone, zu denen Stephanus gehörte, stellen ein eigenes Amt in der Kirche dar. Im Zusammenspiel mit den Bischöfen und Priestern gestalteten sie schon früh das kirchliche Leben für die Gemeinschaft der Glaubenden mit. Die Apostelgeschichte, die im Neuen Testament auch aus der Feder des Evangelisten Lukas stammt, berichtet in ihrem 6 Kapitel darüber, was zur Einrichtung des Diakonenamtes führte: Es war die Zeit, zu der die junge Christengemeinde in Jerusalem zahlenmäßig wuchs. Das ideale Gemeindeleben wurde so verstanden, dass alle alles gemeinsam hatten und dass niemand in seinen Bedürfnissen übersehen werden sollte. Doch genau dies geschah: Die Witwen der sogenannten Volksgruppe der Hellenisten, griechisch sprechende Gemeindemitglieder, wurden bei der täglichen Versorgung tatsächlich übersehen. Über diese Notlage kam es zum Streit. Die Apostel stellten fest, dass es nicht sein konnte, dass sie sich auch um den Dienst an den Tischen kümmern sollten. Sie sahen die Verkündigung des Wortes Gottes, also die Predigt, als ihre Hauptaufgabe. Und so betete man kurzerhand zum Heiligen Geist und wählte dann, so heißt es in der Apostelgeschichte weiter, „sieben Männer von gutem Ruf und voll Geist und Weisheit“ (Apg 6,3), denen dann diese Aufgabe übertragen wurde. Zu diesen sieben gehörte eben Stephanus, der wohl in besonderer Weise herausstach, denn es heißt weiter, dass er "voll Gnade und Kraft, Wunder und große Zeichen unter dem Volk tat." (vgl. Apg 6,8)
Dies rief wohl Neider und Kritiker auf den Plan und so heißt es, dass "einige von der sogenannten Synagoge der Libertiner und Kyrenäer und Alexandriner und Leute aus Kilikien und der Provinz Asien" sich erhoben, um „mit Stephanus zu streiten“, aber sie konnten der „Weisheit und dem Geist, mit dem er sprach, nicht widerstehen.“ (vgl. Apg 6,9-10) Daraufhin wurden einige angestiftet, ihn wegen Gotteslästerei und Verrats am Gesetz und an Mose anzuklagen. Seinen Prozess nutzt Stephanus, vor dem Hohen Rat eine große Predigt zu halten, in der er die ganze Geschichte Gottes mit dem Volk des Alten Testaments zusammenfasst und betont, dass die Propheten, die Gott sandte, in der Geschichte immer wieder abgelehnt wurden, so wie zuletzt Jesus umgebracht worden sei. Diese Rede hat wohl bei der Versammlung zu äußerster Empörung geführt. Von Stephanus heißt es an dieser Stelle: "Er aber, erfüllt vom Hl. Geist, blickte zum Himmel empor, sah die Herrlichkeit Gottes und Jesus zur Rechten Gottes stehen und rief: Siehe, ich sehe den Himmel offen und den Menschensohn zur Rechten Gottes stehen". Alle hielten sich die Ohren zu, stürmten auf Stephanus los, trieben ihn zur Stadt hinaus und steinigten ihn. Stephanus aber betete und rief: „Herr Jesus nimm meinen Geist auf!“ und „Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht an!“ Nach diesen Worten starb er. (vgl. Apg 7,54-60)
„Ich sehe den Himmel offen“
Was kann mir die Erzählung von Stephanus und seinem Martyrium über das sagen, worum es an Weihnachten geht? Für mich ist der entscheidende Satz die Aussage des Stephanus: „Ich sehe den Himmel offen!“ Dies ist es, was für mich Weihnachten am besten beschreibt: Der Himmel hat sich für uns Menschen geöffnet und Gott ist eine Verbindung mit uns eingegangen, indem er selbst in Jesus Christus Mensch geworden ist. Seitdem beginnt der Himmel dort, wo meine Füße den Boden berühren.
Musik: J. S: Bach - Weihnachtsoratorium BWV 248: Ich steh an Deiner Krippe hier - Knabenchor Bremen Ltg. Ulrich Kaiser
Am zweiten Weihnachtstag rückt im Gottesdienst der katholischen Kirche der Stall von Bethlehem etwas in den Hintergrund und die Augen werden auf den Hl, Stephanus, den ersten Märtyrer der Kirche gerichtet. Er durfte verkünden, dass der Himmel für die Menschen geöffnet ist und Jesus selbst als Menschensohn uns Menschen begegnen will.
Ich denke gerade an ein Weihnachtsbild, das sich mir tief ins Herz und ins Gedächtnis eingeprägt hat. Es hängt im Fuldaer Dommuseum und ist ein geschnitztes Relief, entstanden etwa um 1500. Eine klassische Weihnachtsszene mit Maria und Josef, Ochs und Esel und dem Kind denkt man zunächst. Doch wenn man das Bild etwas länger anschaut, kann man etwas Besonderes entdecken. Das Jesuskind ist nicht in einer üblichen Krippe auf Stroh gebettet. Nein, es liegt viel mehr in einem großen Korb, in dem ein Brot liegt. Und das Jesuskind liegt genau auf diesem Brot.
Jesus ist das Brot der Welt
Bethlehem heißt ins Deutsche übersetzt "Haus des Brotes". Jesus wird als Erwachsener selbst über sich einmal sagen: „Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel gekommen ist. Wer von diesem Brot isst, wird in Ewigkeit leben.“ (Joh 6,51) Weihnachten und all unser Sorgen und Mühen um ein gelungenes Fest für möglichst jeden ist Sorge um das Brot, das wir zum Leben brauchen. Aber nicht nur als Brot für den Magen, sondern auch als Nahrung für die Seele und fürs Herz.
Hier finde ich wieder den „roten Faden“, der hin bis zu Stephanus reicht. Wir lernen Stephanus in der Apostelgeschichte nicht nur als "Diener am Tisch der Bedürftigen" kennen, sondern auch als glühenden Verkünder der Frohen Botschaft. Mit seinem Amt als Diakon entwickelte sich in den ersten christlichen Jahrhunderten eine Gemeindestruktur, bei der niemand - auch nicht die Ärmsten - durch das Raster der Aufmerksamkeit fallen sollten. Dass diese Aufgaben nicht nur als organisatorischer Dienst wahrgenommen werden sollten, wurde daran deutlich, dass die Diakone auch feste Dienste im Gottesdienst zu leisten hatten.
Der Diakon – ein so wichtiges Amt dank Stephanus
Irgendwann verschwand in der Kirche dieser wichtige Dienst und war nun mehr ein Durchgangsamt, wenn Männer zum Priester geweiht wurden. Erst das Zweite Vatikanische Konzil (1962 bis 1965) hat das Amt des "Ständigen Diakons" wieder für die Kirche eingeführt, auch für verheiratete Männer. Die Diakone in unseren heutigen Gemeinden, meist Familienväter mit einem ganz normalen Beruf, haben sich, vielleicht als die Kinder aus dem Gröbsten heraus waren, dazu entschlossen, eine theologische Ausbildung zur absolvieren und dann als Seelsorger in der Kirche Dienst zu tun. Auch heute sollen sie den Blick für die unterschiedlichen Lebenslagen der Menschen in den Gemeinden haben und Wege suchen, denen zu helfen, die es nötig haben. Zu oft geraten im Trubel des Alltags die ganz individuellen Sorgen und Nöte der Menschen aus dem Blick. Es wäre ein Segen für die Kirche, wenn viele den wichtigen Dienst des Diakons für sich entdecken würden.
Unsere Kirche hat daneben heute unzählige Menschen in Haupt- und Ehrenamt, die sich engagieren. In der gesellschaftlichen Wahrnehmung sind diese Menschen in den letzten Jahren aufgrund der bekannten gewaltigen Probleme in der Kirche leider aus dem Blick geraten. Ich möchte hier für all jene, die ihren Dienst untadelig und mit viel Herzblut tun, an dieser Stelle eine Lanze brechen. Sie, verehrte Hörerinnen und Hörer, möchte ich ermutigen nachzuspüren, ob Sie Ihren persönlichen Glauben mit der zeugnisgebenden Tat am Nächsten verbinden können und möchten.
Musik3: John Wade - Adeste fideles - Christmas Music from Westminster Cathedral Choir
Liebe Hörerinnen und Hörer, auch in diesem Jahr habe ich mir in den Tagen vor Weihnachten wieder viele Gedanken gemacht, manches geplant und vorbereitet, ähnlich wohl wie die meisten von Ihnen. Doch ich durfte schon gut zwei Wochen vor Weihnachten ein für mich besonderes Geschenk in Aussicht gestellt bekommen. Ich darf ab dem neuen Jahr 2025 in der Dienstgemeinschaft unserer Pfarrgemeinden einen Diakon zur Mitarbeit begrüßen.
Ein neuer Diakon als Gewinn für die Gemeinde
Es ist mir nun eine besondere Freude, genau 25 Jahre nachdem ich am Ende meines Studiums darüber meine Diplomarbeit geschrieben habe. Damals war mir von meinem Lehrer im Kirchenrecht der Auftrag gegeben worden, darüber zu schreiben, ob das Amt des Ständigen Diakons ein Amt für die Kirche unserer Zeit ist. Ich habe das als Ergebnis meiner Arbeit damals eindeutig bejaht. Seit einigen Jahren darf ich die Diakone unseres Bistums, die im Gebiet am Rande Fuldas und in der Rhön ihren Dienst tun, als Spiritual begleiten. Bisher fand ich es immer sehr schade, dass in unserem Pastoralverbund das Amt des Diakons noch nicht präsent war. Das wird sich für die Menschen hier nun ändern und wir dürfen gemeinsam mit den unterschiedlichen Ämtern und Diensten sehen, wie wir Kirche in Zukunft so gestalten, dass alle im Blick bleiben und der geöffnete Himmel spürbar wird - nicht nur an Weihnachten.
Machen wir es wie Gott und wie die Heiligen - Mensch werden um der Menschen willen. Egal ob im kirchlichen Amt oder einfach nur als Christenmensch dieser Zeit. Ich wünsche Ihnen einen gesegneten zweiten Weihnachtstag!
Musik: Franz Biebl - Ave Maria – Augustana Choir (Jon Hurty, conducter) - How can I keep from singing
Musikauswahl: Regionalkantor Ulrich Moormann, Fulda