Von Schutz- und Schubsengeln
Die Deutsche Bahn schenkt mir eine Pause. Weichenstörung. Zug gestoppt. Anschluss verpasst. Nun habe ich Zeit. Ich sehe mich in der Bahnhofsbuchhandlung um.
Zeitschrift „Engelmagazin“
Bei den Zeitschriften fällt mein Blick auf das „Engelmagazin“. Der Untertitel verspricht: „Mehr Licht und Freude in deinem Leben“. Das hört sich gut an. Lektüre für die weitere Zugfahrt. Denn wer weiß, warum wir anhalten mussten auf offener Strecke? Vielleicht war ja ein Schutzengel am Werk…
Lebensfragen klären mit Hilfe des Schutzengels
Ich blättere und staune. Was es alles gibt! Männer und Frauen – vor allem Frauen – die ihren Dienst als Engelmedium anbieten. Ob es darum geht, den Liebsten zurückzugewinnen, um Erfolg im Beruf, um den „Geldfluss“ oder einen Blick in die Zukunft – „kläre die Fragen deines Lebens mit Hilfe deines Schutzengels!“ Ich lese von Duftengeln, von Engelkarten, Engelkerzen, Engelschmuck und finde persönliche Engelsbotschaften für jeden Tag des Monats.
Engel als lichtvolle Begleiter
„Die Engel sind unsere lichtvollen Begleiter. Sie sind zu unserem Schutz da und wollen uns glücklich machen“, steht dabei. „… mit ihren himmlischen Botschaften voller Weisheit helfen sie uns auf unserem individuellen lichtvollen Weg.“ (Jana Haas, in: Engelmagazin Sept./ Okt. 2024)
Engel nur himmlische Wellnessagenten?
Das Wort des Erzengels Michael für heute lautet dort: „Mache Stille zu deinem Freund“. Damit kann ich etwas anfangen. Auch die anderen Impulse sprechen mich an: „Sorge gut für dich“. „Höre auf dein Herz.“ „Sei ein Leuchtturm in dieser Welt“. „Genieße dein Leben.“ Alles gute Ratschläge. Und doch spüre ich auch ein Unbehagen. Alles ist schön und sanft. Alles dreht sich um mich und mein persönliches Wohl. Sind Engel denn nur himmlische „Wellnessagenten“? Oder ist da noch mehr?
Musik: Gottes Engel weichen nie aus BWV 149 Man singet mit Freuden vom Sieg
Heute ist der Tag des Erzengels Michael
Heute, am 29 September, ist Michaelis. Ein kleines Fest im Kirchenjahr. Der Tag des Erzengels Michael und aller Engel. In der christlichen Tradition gilt er als Anführer der himmlischen Heerscharen und als Bezwinger des Bösen. (Offbarung 12,7)
Was die Bibel über Engel sagt
Was sagt die Bibel über Engel? Ich mache mich auf die Suche… Engel heißt Hebräisch „Malach“, Bote. Sie werden nicht gerufen, sondern Gott sendet seine Engel. Darum heißen sie oft auch: „der Engel Gottes“ oder „der Engel des Herrn“. Sie haben keine Flügel, obwohl sie immer so dargestellt werden. Sind trotzdem sofort da, wo sie gebraucht werden.
Der Engel bei Hagar in der Wüste
Der erste Engel, von dem die Bibel erzählt, kommt zu einer ägyptischen Sklavin. (Genesis 16) Hagar ist auf der Flucht vor der Eifersucht ihrer Herrin Sara. Die konnte keine Kinder bekommen und hat sie als Leihmutter zu Abraham geschickt, ihrem Mann. Hagar wurde schwanger. Jetzt ist sie stolz darauf. Das kann Sara nicht ertragen. Sie schickt ihre Sklavin in die Wüste. Das ist ein Ort für Engel. Hagar ist in der Wüste und sie erlebt Wüste – Ausweglosigkeit, Dürre, Not. Der Engel kennt ihren Namen. Er fragt: „Hagar, Saras Magd, wo kommst du her und wo willst du hin?“ Will sagen: Der Engel kommt, wenn wir nicht mehr weiterwissen.
Engel helfen zuversichtlich in die Zukunft zu schauen
Er kennt unseren Namen und unsere Geschichte und fragt trotzdem: Wer bist du? Lädt ein, nach vorne zu schauen. Hagar antwortet: Ich bin von Sara, meiner Herrin, geflohen. Der Engel sagt ihr, dass sie zurückgehen soll. In der Wüste kann kein neues Leben zur Welt kommen. Und sie, die selber nur das Ende gesehen hat, hört aus dem Mund des Engels: „Siehe, du wirst einen Sohn gebären, dessen Namen sollst du Ismael nennen“. Das bedeutet: „Gott hört.“ Hagar erkennt, dass Gott selbst es war, der ihr in dem Engel begegnet ist, und sie sagt: „Du bist ein Gott, der mich sieht“. Der Engel hat ihr gezeigt: Ich bin nicht allein. Da ist ein DU, dass mich behütet und begleitet auf meinem Weg.
Elia und der Engel, der ihn ermutigt
Ganz ähnlich die Geschichte von Elia. Auch er ist in der Wüste. Ein Prophet, der alles satt hat. Er kann nicht mehr. Will nicht mehr. Da kommt ein Engel. Mit Wasser und Brot und mit einer Aufgabe: „Und siehe, ein Engel berührte ihn sanft - und sprach zu ihm: Steh auf und iss, denn du hast einen weiten Weg vor dir!“ (1. Könige 19,7) Engel berühren – Sie schenken Nähe, trösten und ermutigen. Richten den Blick nach vorne. Gehen mit auf dem Weg.
Hagar und Elia haben die Engel nicht gerufen. Gott hat sie gesandt, um ihnen zu zeigen: Auch wenn du das Gefühl hast, alles ist vorbei – es gibt einen neuen Anfang.
Musik: F. Mendelsohn, Denn er hat seinen Engeln befohlen
Engelwort aus Psalm 91 - ein beliebter Taufspruch
Wenn Familien einen Taufspruch für ihre Kinder suchen, wählen sie oft diesen Vers aus dem 91. Psalm: „Er hat seinen Engeln befohlen über dir, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen. Dass sie dich auf den Händen tragen und du deinen Fuß nicht an einen Stein stoßest“ Als Mütter und Väter wissen wir: Selbst wenn wir noch so gut auf unsere Kinder aufpassen - wir können sie nicht rund um die Uhr schützen. Wir brauchen Unterstützung von Menschen, mit denen wir leben und von guten Mächten, die um uns sind.
Welche Rolle dieser Taufspruch im Leben unseres Sohnes spielte
Wir haben diesen Vers auch als Taufspruch ausgesucht. Für unserem Sohn. Schon die Geburt war kompliziert. Die Nabelschnur drei Mal um den Hals… er ist lebendig zur Welt gekommen, weil die Hebamme rechtzeitig reagiert hat. Auch später gab und gibt es immer wieder Situationen, in denen ich denke: Da hat er einen Schutzengel gehabt! Als kleiner Pimpf ist er aus dem Garten entwischt und zum Teich im nahen Park gelaufen…Ich in Panik hinterher! Als ich ihn von weitem sehe, schon ganz dicht am Wasser, kommt es mir vor, als stehe ein Engel vor ihm und sagt: STOP!
„Jedes Kind hat einen Engel“, sagt Jesus
„Jedes Kind hat einen Engel“, sagt Jesus (Matthäus18,10). Darauf zu vertrauen, entlastet mich als Mutter. Ich trage nicht für alles allein die Verantwortung. Ich darf meine Kinder Gottes Fürsorge anvertrauen.
Engel - kein Garant für ein sorgenfreies Leben
Schutzengel räumen nicht alle Schwierigkeiten aus dem Weg. Natürlich gibt es Steine, an denen wir uns stoßen und manchmal mehr als das. Hindernisse, die einen umwerfen und aus der Bahn bringen können. Die Engel, von denen die Bibel erzählt, sind kein Garant für ein sorgenfreies Leben.
Was Vertrauen in Engel bewirkt
Aber sie stärken uns in der Gewissheit: Ich bin verbunden mit einer Kraft, die mich trägt und mir hilft, das Schwere zu überstehen. Der Engel kann ein Bild sein für den inneren Raum, in dem ich heil bleibe, trotz Verletzung und Schmerz. Das Vertrauen auf Engel, die mich behüten, stärkt meine Resilienz. Die Gewissheit: Auch in schweren Zeiten bin ich nicht allein.
Musik: Wilhelm Wilms, Welcher Engel wird uns sagen
Bin ich ein Engel?
Während ich am Schreibtisch sitze und über Engel nachdenke, klingelt das Telefon. Es ist eine Freundin, die gerade vor großen beruflichen und persönlichen Herausforderungen steht. Wenn sie jemand braucht, der ihr zuhört, ruft sie mich am. „Es tut mir gut,“ sagt sie, „deine Stimme zu hören“. Bereits nach den ersten Sätzen weiß ich: „Das wird dauern“ und lege meinen Stift zur Seite. Nach dem Telefonat ist fast eine Stunde vergangen. Tja - aus meinen Gedanken über Engel bin ich nun raus. Aber wer weiß? Vielleicht war ich jetzt der Engel. „Wirst du für mich, werd` ich für dich der Engel sein?“ heißt es in einem Lied von Wilhelm Wilms, das mir jetzt durch den Kopf geht.
Engel lassen einen auch erschrecken
Die Engel der Bibel sind Meister darin, Menschen in ihrem Tun zu unterbrechen. Sie stellen sich quer, um Menschen aufzuhalten, die auf dem falschen Weg sind. (Num 22). Sie erteilen einen Auftrag, der herausfordert. (Richter 6,12f). Sie richten den Blick von der eigenen Person auf die Verantwortung für andere. Es sind keine niedlichen Putten mit süßen Löckchen, sondern bringen Erfahrungen, die auch erschrecken können.
Die Botschaft des Engels in der Weihnachtsgeschichte
Darum sagen sie fast immer: „Fürchte dich nicht!“ Wie in der Weihnachtsgeschichte. Als der Engel Maria die Geburt Jesus ankündigt. „Fürchte dich nicht!“ Als er ihrem Verlobten Josef sagt, dass er bei ihr bleiben soll, obwohl das Kind nicht von ihm ist. „Fürchte dich nicht!“ Auch zu den Hirten sagen die Engel: „Fürchtet euch nicht!“ Und schicken sie auf den Weg nach Bethlehem. Sie unterbrechen das Leben. Ihr Auftrag ist nicht bequem. Nix zum Wohlfühlen mit schönen Düften.
Ein Schutzengel ist manchmal auch ein Schubsengel
Der Schutzengel ist manchmal ein Schubsengel, der uns auf den Weg bringt. „Los,“ sagt er. „Raus aus der Komfortzone. Macht euch an die Arbeit! Tut was, für die Gemeinschaft. Für euer Zusammenleben. Ladet die Nachbarn ein. Engagiert euch. Geht zur Demo. Setzt euch ein für die Demokratie und Frieden.“
Ein Schubsengel für Jörg
So ein Engel hat Jörg auf den Weg gebracht. Er ist Handwerker und arbeitet in einem kleinen Betrieb. Einer seiner Kollegen hat Krebs. Seit einigen Wochen ist er im Hospiz. Jörg weiß: Ich muss dahin. Ich muss ihn besuchen. Sie haben sich immer gut verstanden. Aber er schiebt den Gang vor sich her. Mit so was hat er keine Erfahrung. Er war noch nie in einem Hospiz. Worüber soll er mit dem Kumpel reden? Und dann steht er doch vor der Tür. Es hat ihm einfach keine Ruhe gelassen. Auf dem Flur spricht mit der Schwester. Fragt, worauf er achten soll. Er will ja nichts falsch machen. „Sie müssen sich keine Sorgen machen“, sagt sie. „Er ist ganz klar.“
Jörg bei seinem todkranken Freund im Hospiz
Als er das Zimmer betritt, ist noch jemand da. Das Gespräch zu dritt erleichtert den Anfang. Dann geht die Frau und die beiden Männer sind alleine. Sie reden und reden, und am Ende nehmen sie sich lange und herzlich in den Arm. Zuerst fand Jörg das ein bisschen komisch. So eine Umarmung unter Männern. Aber dann hat er es zugelassen und es war einfach nur schön. Zwei Tage später trifft er die Frau auf dem Parkplatz eines Supermarktes. "Wann gehen Sie wieder ins Hospiz?“ fragt er. „Ach“, sagt die Frau, „Sie haben es noch gar nicht gehört: Eine Stunde nachdem Sie gegangen sind, ist er gestorben.“
Einladung an Schubsengel
Nicht nur die Schutzengel, auch diesen Schubsengel möchte ich einladen in mein, in unser Leben. „Lieber Engel“, möchte ich zu ihm sagen, „lieber starker Gottesbote! Kannst du nicht auch den Politikern, die den Frieden in der Welt blockieren, mal einen kräftigen himmlischen Tritt geben?“
Musik: E. Humperdinck, Abends wenn ich schlafen geh
Engel - eigenständige Wesen oder ein Bild für Gottes Nähe?
Manche Menschen sagen, sie sehen Engel und empfangen Botschaften aus der himmlischen Welt. Andere haben Erlebnisse, von denen sie im Nachhinein sagen: „Da war ein Engel am Werk!“ In der Bibel ist nicht immer klar, ob sie selbständige Wesen sind oder Bilder für Gottes liebende und tröstende Gegenwart. Ihre Schwingen stehen gleichsam für die Schwingungen, die uns erreichen in unseren Träumen, in Gedanken und Gefühlen. In unserem Körper, in unseren Beziehungen. Das ist etwas Zartes, etwas Schwebendes, Flüchtiges. Wir können es nicht festhalten. Vielleicht werden deshalb Engel immer mit Flügeln dargestellt.
Engel - unsichtbare Mächte, die uns begleiten
Sie sind die unsichtbaren Mächte um uns, die uns begleiten. Und die Kräfte in uns, die manchmal wie angeflogen kommen. Sie machen uns Mut, sie öffnen uns die Augen und bringen uns auf den Weg. „Der Engel in dir“, heißt es in einem Gedicht von Rose Ausländer, „freut sich über dein Licht / weint über deine Finsternis … / Er bewacht deinen Weg / Lenk deine Schritte engelwärts“.