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Bild: pexels / Olly

Grüße

Tina Oehm-Ludwig
Ein Beitrag von Tina Oehm-Ludwig, Evangelische Pfarrerin, Versöhnungskirche-Matthäuskirche Fulda
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„Hallo, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer!“ Oder sollte ich lieber sagen: „Guten Morgen, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer!“? Wir Menschen grüßen einander ja ganz unterschiedlich.

Verschiedene Arten zu grüßen

Die einen benutzen gern ein schlichtes „Hallo“. Die anderen sagen – je nach Tageszeit – „Guten Morgen“, „Guten Tag“ oder „Guten Abend“. Und wieder andere verwenden einen regional gebräuchlichen Gruß wie „Moin“ oder „Grüß Gott“. Manche Menschen grüßen immer mit dem gleichen Gruß und manche wechseln hin und wieder – je nach Situation und je nach ihrem Gegenüber. Wie grüßen Sie andere Menschen?

Musik: Franz Schubert,"die schöne Müllerin", No 8:Morgengruß,Strophe 1

Ein Gruß ist nichts anderes als ein Wunsch

Als ich einmal mit einem Freund darüber sprach, mit welchen Worten wir andere Menschen gerne grüßen, fiel mir auf: Ein Gruß ist ja nichts anderes als ein Wunsch. Wenn wir jemanden grüßen, dann wünschen wir ihm etwas – zum Beispiel einen guten Morgen, einen guten Tag oder einen guten Abend. In Norddeutschland wünschen sich die Menschen mit „Moin“ ganz allgemein etwas Gutes. Der Gruß soll nämlich von dem plattdeutschen Wort „moi“ abgeleitet sein, was so viel wie „angenehm, schön, gut“ bedeutet.

„Grüß Gott“

Es hat demnach überhaupt nichts mit der Tageszeit zu tun und kann daher rund um die Uhr verwendet werden. In Süddeutschland wünschen die Menschen einander oft, dass Gott sie grüßen möge. Denn „Grüß Gott“ ist die Kurzform von „Grüße dich Gott“ bzw. von „Gott grüße dich“.

Grüße zum Abschied

Auch zum Abschied grüßen wir einander, indem wir uns etwas wünschen. Zum Beispiel sagen wir „Auf Wiedersehen“ und wünschen uns damit, dass wir uns wiedersehen mögen. Manche verwenden auch den Gruß „Gott befohlen“. Sie drücken damit den Wunsch aus: Gott sei mit dir auf all deinen Wegen. Das gleiche bedeutet auch der französische Abschiedsgruß „Adieu“ bzw. die davon abgeleitete Variante „Ade“. Es ist schön, wenn unsere Begegnungen mit anderen Menschen von Grüßen und damit von Wünschen gerahmt werden, von guten Wünschen.

Bisher gegrüßt ohne groß nachzudenken

Bis zu jenem Gespräch mit besagtem Freund über die Worte, mit denen wir andere gerne grüßen, habe ich mir über das Grüßen keine großen Gedanken gemacht. Ich habe es einfach getan. Das habe ich als Kind schließlich so gelernt. Wie oft hieß es da: „Nun sag mal schön ‚Guten Tag‘ zu der Tante.“ Manchmal habe ich besagte Tante nicht ganz freiwillig gegrüßt, aber immerhin: Ich habe es – früher oder später – getan. Und so grüße ich die Menschen, denen ich begegne, heute noch immer – mal mit diesen, mal mit jenen Worten.

Ein Gruß des Apostel Paulus an die Korinther

Doch seit jenem Gespräch und der Erkenntnis „Ein Gruß ist auch ein Wunsch!“ lässt mich die Sache mit dem Grüßen nicht mehr los. So ist mir vor kurzem auch ein Gruß des Apostels Paulus ins Auge gefallen. Er verwendet ihn ganz am Ende seines zweiten Briefes an die Gemeinde in Korinth. Es sind Worte, die bis heute im Gottesdienst erklingen, meistens im Zusammenhang mit der Predigt. Da heißt es: „Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!“

Auch dieser Gruß des Paulus ist ein Wunsch

Auch dieser Gruß des Apostels Paulus ist ein Wunsch, ein guter Wunsch. Paulus wünscht seinen Leserinnen und Lesern am Ende seines Briefes: Gottes Gnade und Gottes Liebe mögen bei ihnen sein und sie mögen in der Gemeinschaft mit Gott bewahrt werden. Damit wünscht er ihnen nur das Beste, sogar das Allerbeste. Mit ähnlichen Worten hatte Paulus die Korinther schon zu Beginn seines Briefes gegrüßt. Auf den ersten Blick ist daran nichts Besonderes. Ein Gruß am Anfang und ein Gruß am Ende – so läuft das eben bei einer Begegnung zwischen einigermaßen zivilisierten Menschen ab.

Grüße rahmen Begegnungen

Egal, ob ich jemandem persönlich – von Angesicht zu Angesicht – begegne oder ihm einen Briefe schreibe: Ich rahme die Begegnung mit Grüßen, mit Wünschen, mit guten Wünschen, manchmal sogar mit den allerbesten Wünschen ein. Doch das, was Paulus in diesem zweiten Korintherbrief zwischen diesen allerbesten Wünschen schreibt, ist wirklich erstaunlich. Davon erzähle ich nach der Musik.

Musik: Franz Schubert, Klaviersonate a-moll op. 164 2.Satz Allegretto quasi andantino

Paulus in der Gemeinde in Korinth

Etwa im Jahr 50 nach Christus kommt der Apostel Paulus in die blühende Hafen- und Handelsstadt Korinth. Er möchte auch hier den Menschen die frohe Botschaft von Jesus Christus verkündigen. Er hat Erfolg: Etliche Menschen entscheiden sich für den christlichen Glauben. Eine Gemeinde entsteht und diese Gemeinde wächst. So bleibt Paulus einige Monate in Korinth. Doch dann will und muss er weiterziehen. Viele Menschen an anderen Orten haben noch nichts von Jesus Christus gehört.

Themen des 1. Korintherbriefes

So verlässt Paulus die junge Gemeinde wieder, bleibt aber mit ihr in Verbindung.

Er schreibt einen erstenBrief an die Christinnen und Christen in Korinth. Er beantwortet darin ihre Fragen und spricht über die Themen des Glaubens, für die bei seinem Aufenthalt keine Zeit geblieben ist oder bei denen es noch Klärungsbedarf gibt. So weit, so gut.

Auseinandersetzungen - Thema des 2. Korintherbriefes

Doch das Verhältnis zwischen dem Apostel und der korinthischen Gemeinde bleibt nicht so ungetrübt, wie es am Anfang war. Davon zeugt ein zweiter Brief des Paulus an die Gemeinde. In ihm setzt sich der Apostel außerordentlich scharf mit den Korinthern auseinander. Der Grund dafür ist, dass in der Gemeinde andere Apostel aufgetreten sind. Paulus nennt sie die „Überapostel“.

Ungute Wirken der „Überapostel“ in Korinth

Paulus ist wütend, weil sie einen anderen Jesus, einen anderen Geist, ein anderes Evangelium nach Korinth gebracht haben. Er kann nicht glauben, dass sich die Korinther das haben gefallen lassen. Sie nicht bei dem Grund geblieben sind, den er bei ihnen gelegt hat. Außerdem haben diese „Überapostel“ Paulus bei der Gemeinde in Misskredit gebracht. Sie stellen seine Autorität in Frage.

Wie Paulus darauf reagiert

Sie sprechen ihm ab, überhaupt ein Apostel zu sein. Diese „Überapostel“ reden aber auch abwertend von ihm aufgrund seiner äußeren Erscheinung, aufgrund seiner chronischen Erkrankung und seiner wohl eher bescheidenen Redekünste. Kein Wunder also, dass Paulus in seinem Brief nicht lange auf der sachlichen Ebene bleibt, sondern schnell persönlich wird.

Meine Reaktion bei unsachlichen Angriffen

Das kenne ich auch von mir. Wenn ich mich unsachlich angegriffen und in die Ecke gedrängt oder falsch verstanden oder gar ungerecht behandelt fühle, dann gerät mir das, worum es eigentlich geht, leicht in den Hintergrund. Ich werde wütend und möchte am liebsten nur noch zurückschlagen. Es dem anderen mit gleicher Münze heimzahlen.

Paulus steckt ein und teilt aus

Der Apostel Paulus hat damals viel einstecken müssen und ist tief verletzt. Doch nun teilt auch er kräftig aus. Er geht mit den „Überaposteln“ hart ins Gericht – und ebenso mit den Korinthern, die sich von diesen haben blenden und verführen lassen. „Friede, Freude, Eierkuchen“? Nicht zwischen Paulus und den Korinthern – zumindest nicht in der Zeit, in der Paulus diesen zweiten Brief schreibt.

Der 2. Korintherbrief benennt Probleme klar

Es ist wichtig, dass auch ein solcher Brief in der Bibel steht. Ein Brief, der davon zeugt, dass nicht immer alles „Friede, Freude, Eierkuchen“ ist – auch nicht in einer christlichen Gemeinde. Zwischen Christinnen und Christen gab es von Anfang an auch Probleme und Konflikte, Beleidigung und sogar Verleumdung. Denn auch Christinnen und Christen sind Menschen mit Fehlern und Schwächen. Auch sie sind Menschen, die sich – bewusst oder unbewusst – gegenseitig verletzen und die einander bisweilen nur schwer ertragen können.

Wichtig auch schwierige Themen von Grüßen zu umrahmen

Es ist aber noch aus einem anderen Grund wichtig, dass ein solcherBrief in der Bibel steht. Er zeugt nämlich auch davon, dass solch schwierige Situationen nicht unter den Teppich gekehrt und dort gehalten werden müssen. Sondern dass sie beim Namen genannt, offen ausgetragen und miteinander ausgehalten werden können. Und ganz besonders wichtig ist es, dass gerade ein solcher Brief von Grüßen eingerahmt wird. Paulus grüßt die Korinther auch zu Beginn dieses besonderen Briefes. Er wünscht ihnen Gutes, ja sogar das Allerbeste – in vollem Bewusstsein dessen, was er ihnen gleich schreiben wird. Und Paulus beendet diesen besonderen Brief mit einem Gruß.

Welche Wünsche sein Gruß enthält

Nach allem, was er den Korinthern gerade an den Kopf und vorgeworfen hat, wünscht er ihnen: „Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!“ Damit ist nicht einfach alles wieder gut. Die Verletzung ist noch da. Das Fehlverhalten der Korinther steht noch im Raum. Auch die heftigen Worte des Paulus hallen noch im Ohr. Aber Paulus macht mit seinem Gruß eines deutlich: Die Beziehung zwischen ihm und der Gemeinde in Korinth hat für ihn noch eine Zukunft.

Manchmal ist kein guter Wunsch möglich

Ich bin mir bewusst: Menschen können an anderen so schuldig werden, dass keine Begegnung mehr möglich ist. Schon gar kein Gruß, kein guter Wunsch. Es gibt Beziehungen, die unwiederbringlich verloren sind bzw. irreparabel zerstört wurden. Dies gilt es ernst zu nehmen und zu respektieren. Von Paulus möchte ich aber eines lernen: Wenn am Anfang und am Ende einer Begegnung ein Gruß steht, dann kann dazwischen viel gesagt werden.

Ein guter Wunsch zu Beginn und am Ende lässt auch Schwieriges angesprechen

Wenn am Anfang und am Ende einer Begegnung ein Wunsch, ein guter Wunsch steht, dann kann dazwischen auch das Schwierige und Unangenehme, das Heikle und Kontroverse zur Sprache kommen. Denn der Gruß am Anfang und am Ende trägt das, was dazwischensteht. Er fängt das, was dazwischensteht, ein Stückweit auf.

Durch gute Wünsche der Beziehung eine Chance geben

Er gibt der Beziehung zwischen denen, die sich begegnen, eine Chance. So wie Paulus mit seinem Gruß zu Beginn deutlich macht, dass ihm an den Menschen in Korinth liegt. Dass er bereit ist, um sie und für ihre Beziehung zu kämpfen. Und mit seinem Gruß am Ende erinnert er sie daran: Das, was uns verbindet, ist doch so viel mehr als das, was uns gerade voneinander trennt.

Musik: Franz Schubert,"Pax vobiscum"

Paulus Gruß wäre genau der richtige Gruß

„Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!“ Ich muss gestehen: Ich würde mich schwertun, andere Menschen so zu grüßen – sowohl am Anfang als auch am Ende meiner Begegnung mit ihnen. Und gleichzeitig denke ich: Das wäre genau der richtige Gruß, das wäre genau der richtige Wunsch für meine Begegnungen. Denn ich wünsche mir das, wovon der Gruß spricht, für mich selbst und andere. Ich wünsche mir Gnade und Liebe und Gemeinschaft.

Wunsch nach Gnade 

Ich wünsche mir Gnade in einer oft gnadenlosen Welt. In einer Welt, in der ich keinen Fehler machen darf. Martin Luther hat vor 500 Jahren gefragt: Wie bekomme ich einen gnädigen Gott? Viele Menschen ringen heute eher mit der Frage: Wie bekomme ich gnädige Mitmenschen? Wie bekomme ich eine gnädige Mit-Welt? Wobei ich mir keine Mitmenschen wünsche, die zu allem Ja und Amen sagen, was ich tue. Sondern ich wünsche mir Mitmenschen, die Kritik üben, ohne dabei zu verletzen. Die nicht noch nachtreten, wenn ich ohnehin schon am Boden liege. Menschen, die mir stattdessen helfen, wieder auf die Beine zu kommen, die mich aufrichten.

Wunsch nach Gemeinschaft 

Ich wünsche mir daher auch Gemeinschaft – Gemeinschaft in einer Welt, in der immer mehr Menschen unter Einsamkeit leiden, sich isoliert fühlen von den Menschen um sie herum und vom Leben selbst.

Wunsch nach Liebe 

Und schließlich wünsche ich mir Liebe in einer oft lieblosen Welt. In einer Welt, in der die Ellenbogen zum Einsatz kommen und ohne Rücksicht auf Verluste gedacht, geredet und gehandelt wird. Ich habe einmal gehört, dass das Wort „lieben“ sprachlich mit dem Wort „loben“ verwandt ist. Das leuchtet mir ein. Ich fühle mich geliebt, wenn ich gelobt werde. Wenn sich jemand über meine Stärken freut, sie wertschätzt und fördert. Wenn mich jemand ermutigt, meine Fähigkeiten zu gebrauchen, sie einzusetzen.

Wann ich mich auch bei Kritik geliebt fühle

Ich kann mich aber genauso geliebt fühlen, wenn ich kritisiert werde. Sofern ich dabei nicht kleingemacht oder als Mensch in Frage gestellt werde. Sofern mir jemand trotz aller Kritik erlaubt, ich selbst zu sein. Denn ich will ja gar nicht jede meiner mehr oder weniger liebenswerten Eigenarten beibehalten. Ich will mich auch verändern, wachsen, reifen. Aber ich will mich noch wiedererkennen können, wenn ich in den Spiegel schaue. Ich will das Gefühl haben, so wie ich bin, geliebt zu werden. Dann kann ich mich auch der Kritik stellen und das eine oder andere an mir ändern.

Hoffnung für das Verhältnis Paulus mit den Korinthern

Ich hoffe, dass das auch den Korinthern und dem Apostel Paulus damals gelungen ist. Leider steht in der Bibel kein dritter Brief, der darüber Auskunft gibt, ob sie nach der Kritik aneinander wieder zu einem liebevollen Verhältnis zueinander gefunden haben.

Musik: Franz Schubert,Klaviersonate A-Dur op 120, 2. Satz: Andante

Werde ich Paulus Gruß verwenden?

„Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen.“ Vermutlich werde ich diesen Gruß des Apostels Paulus auch künftig eher nicht verwenden, wenn ich anderen Menschen im Alltag begegne – sei es von Angesicht zu Angesicht oder in Form eines Briefes. So sehr mir dieser Gruß gefällt und so sehr ich mir und anderen das wünsche, wovon er spricht: Gnade, Gemeinschaft und Liebe. Vermutlich werde ich die Menschen, denen ich begegne, weiterhin so grüßen, wie ich es gelernt habe und wie ich es gewohnt bin: mit einem schlichten „Hallo“ oder „Guten Tag“ zu Beginn und mit einem kurzen „Tschüss“ oder „auf Wiedersehen“ am Ende.

Den Gruß und Wunsch des Paulus beim Grüßen mitdenken

Aber ich nehme mir fest vor, diesen Gruß des Paulus hin und wieder mitzudenken, wenn ich jemanden grüße – gerade dann, wenn es im Rahmen einer Begegnung ist, in der es zum Konflikt kommen kann bzw. ganz sicher kommen wird.

Woran der Gruß mich erinnert

Denn dieser Gruß des Paulus erinnert mich daran, meinem Gegenüber nicht nur Gutes, sondern das Allerbeste zu wünschen – und in der Sache dennoch Klartext zu sprechen. Und der Gruß erinnert mich auch daran, dass es – wie damals bei Paulus und den Korinthern – vielleicht viel mehr gibt, was uns verbindet, als was uns gerade voneinander trennt.

Musik: Johann Rosenmüller,"Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi"

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