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Offene Bibliothek
Pixabay/Michal Jarmoluk

Offene Bibliothek

Dr. Elisabeth Krause-Vilmar
Ein Beitrag von Dr. Elisabeth Krause-Vilmar, Evangelische Pfarrerin, Bad Vilbel
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Die Mitarbeitenden der Bibliothek im schwedischen Göteborg haben nicht schlecht gestaunt, als sie an einem Feiertag zufällig an ihrem Arbeitsplatz vorbeigelaufen sind. Eigentlich hätte die Bibliothek an diesem Tag geschlossen sein sollen, aber es tummelten sich hunderte Menschen darin. Irgendjemand hatte wohl vergessen, den Eingang des Gebäudes abzuschließen.

Bibliotheksöffnung ohne Aufsicht

Erstaunlicherweise war alles fast wie immer: Ein reges, ruhiges Miteinander, Zeitungsleser, Familien in der Kinderabteilung. Über den Tag verteilt waren 446 Göteborgerinnen und Göteborger in ihre leere Bibliothek gekommen, 245 Bücher waren ordnungsgemäß ausgeliehen, nichts war verschwunden, verdreckt oder zerstört, im Gegenteil, einige hatten sogar ihre Bücher zurückgebracht.

Die leere Bibliothek wurde den Menschen sozusagen anvertraut

Für mich hat diese wahre Begebenheit auch etwas mit Vertrauen zu tun. Die Menschen kamen in die leere Bibliothek und sie wurde ihnen sozusagen anvertraut. Sie behandelten die Bibliothek liebevoll – auch ohne die Mitarbeitenden. Sie haben das Vertrauen nicht ausgenutzt, sondern sich verantwortlich verhalten.

Vertrauen heißt nicht "blind vertrauen"

Vertrauen ist evangelisch verstanden das glatte Gegenteil vom sprichwörtlichen „blinden Vertrauen“. Es hat vielmehr damit zu tun, selbst offen und transparent zu sein und anderen mit hellwachen Sinnen und Respekt zu begegnen. Je mehr ich von etwas oder jemandem weiß, je mehr ich die andere Person kenne, desto stärker vertraue ich.

Vertrauen bleibt immer ein Wagnis - lohnt sich aber

Vertrauen kann nur da entstehen, wo innere Überzeugung und Leidenschaft für die Menschen zusammenkommen - und Vertrauen bleibt immer ein Wagnis. Es muss nicht immer gleich so riskant wie eine offene Bibliothek mitten in Göteborg sein. Aber Vertrauen hat immer auch etwas mit Versuchen und Ausprobieren zu tun. Bei allem Grauen der Welt möchte ich es immer wieder wagen, meinen Mitmenschen zu vertrauen und glaube, es wird nicht vergeblich sein.

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