Die lange Bank
„Etwas auf die lange Bank schieben?“, woher kommt diese Redensart eigentlich?
Die Akten unerledigter Fälle wurden in langen Truhen aufbewahrt
Als es bei Gericht noch keine Regale und Ordner gab, wurden die Akten unerledigter Fälle in langen Truhen aufbewahrt. Und dort lagen sie lange, oft zu lange. Manchmal so lange, dass die Beteiligten schon verstorben waren, bis man dazu kam, die Akten aus der Versenkung zu holen. Auf den Deckeln dieser Truhen konnte man auch sitzen wie auf einer Bank.
Wir schieben vieles auf die lange Bank
Manches von dem, was ich gerne machen oder erledigen würde, schiebe auch ich auf die lange Bank: Ein klärendes Gespräch mit einem Menschen, der mir wichtig ist. Ein Besuch bei einem Kranken, meine Wunschliste, was ich alles noch machen möchte. Manche Paare denken sich: „Wenn unser Haus fertig gebaut ist, wenn die Kinder aus dem Haus sind, wenn wir mal im Ruhestand sind, dann machen wir eine große Weltreise, dann erfüllen wir uns manchen Traum!“ Doch diese lange Bank wird immer kürzer.
Die lange Bank wird immer kürzer
Bei Beerdigungen hört man ab und zu einen Satz aus der Bibel: „Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, damit wir klug werden!“ Er unterstreicht dieses Bild von der langen Bank, die immer kürzer wird. Es ist klug, das klärende Gespräch, den Besuch bei einem Kranken, den täglichen Sport nicht auf morgen oder auf irgendwann zu verschieben, sondern tatsächlich anzugehen heute, jetzt.
"Ein Tag mehr ist ein Tag weniger"
Hin und wieder höre ich von Menschen, die sich ganz vieles vorgenommen haben für die Zeit, wenn sie einmal im Ruhestand sein würden. Die Erfahrung zeigt: Ob das dann klappt, ist nicht sicher. „Ein Tag mehr ist ein Tag weniger“ hat der Kabarettist Hanns Dieter Hüsch einmal formuliert[i]. Ich höre das so: Schieb nicht so viel auf die lange Bank. Mach das, was dir und anderen guttut.
[i] in: Hanns Dieter Hüsch: Denn in jeder Leiche ist ein Kind versteckt. Die kabarettistischen Texte, Band 2, Berlin 2017 (edition diá), S. 605 – 607 „Der einzelne Tag“