Ihr Suchbegriff
Beitrag anhören:
Tränen
Bild:pexel karolina grabowski

Tränen

Jens Haupt
Ein Beitrag von Jens Haupt, Evangelischer Pfarrer, Kassel
Beitrag anhören:

Es ist noch früh. Auf der Veranda des Cafés sind erst zwei Tische besetzt. Ich suche mir einen Platz etwas abseits. Und trotzdem fällt mir die junge Frau auf. Sie weint. In der einen Hand die Zigarette, in der anderen das Handy. Ich gebe mir alle Mühe nicht aufdringlich hinzugucken. Aber es berührt mich.

Warum weint die junge Frau?

Was mag das sein, was eine junge Frau am Morgen zum Weinen bringt? Liebeskummer? Schlechte Nachrichten auf dem Handy? Es geht mich nichts an und trotzdem beschäftigt es mich.

Ein älterer Mann setzt sich einfach dazu

Ganz in meine Gedanken versunken, habe ich gar nicht gemerkt, dass sich ein älterer Mann zu ihr gesetzt hat. Ob er sie kennt? Oder ob er nur mutig genug ist, sie anzusprechen? Ich hätte mich nicht getraut. Warum eigentlich nicht? Mein Mitgefühl hat sie doch auch.

Er tut offensichtlich was der Frau guttut

Es sieht so leicht aus, zwischen den beiden. Da muss es eine Verbindung geben. Und wenn nicht? Was, wenn dieser Mann trotz aller Wenns und Abers einfach das getan hat, was der jungen Frau guttut. Vorsichtig nachfragen, einfach dabeibleiben, eine Zigarette mitrauchen und Tröstendes suchen.

Er sieht nicht aus wie einer, der das beruflich gelernt hat. Eher jemand, der etwas tut, weil es ihm richtig scheint.  Er fragt, hört zu, redet, kommt offenbar nicht ungelegen, ist nicht peinlich oder aufdringlich.

Sein Verhalten erinnert mich an Jesus

Es ist vielleicht etwas übertrieben, wenn ich an Jesus denke. Die Art, wie der Mann sein unmittelbares Mitgefühl zeigt und sich dazusetzt, erinnert mich an ihn. Ich habe Jesus immer für sein offenes Verhalten bewundert. Er hat Ablehnung riskiert, oft genug haben die Leute den Kopf geschüttelt, sich über ihn geärgert. Er hat unsichtbare Schranken überwunden, nicht aus sicherer Entfernung nur beobachtet. So wie ich gerade.

Traurigkeit und Mitgefühl zeigen

Ich freue mich, dass die junge Frau ihre Tränen nicht versteckt hat. Und ich freue mich daran, dass es jemand schafft, Menschlichkeit und Mitgefühl zu zeigen. 

Weitere ThemenDas könnte Sie auch interessieren