Anders sehen lernen
Ich fahre Fahrrad, gerne und viel, nicht besonders sportlich oder rasant, aber ich komme dahin, wo ich will. Und das gibt mir ein gutes Gefühl, denn zumindest verpeste ich die Luft nicht noch zusätzlich mit Abgasen.
Da flog mir plötzlich was ins Auge
Ganz zufrieden mit mir selber war ich neulich unterwegs mit meinem Fahrrad zu einer Sitzung. Da sollte es um Inklusion gehen, mehr Aufmerksamkeit für Menschen mit Handicaps und dafür, wo es für sie Barrieren gibt. Zack, da flog mir auf einmal kurz vor dem Eingang so ein Mini-Insekt ins Auge. Aua, das hat ganz schön wehgetan. Mit zusammengekniffenen Augen habe ich mich zum Bürogebäude vorangehangelt, in dem die Sitzung sein sollte. Gott sei Dank war da gleich der Waschraum. Licht angemacht, der Raum hat nämlich keine Fenster, Wasser marsch, und bald war mein Auge ausgewaschen und der Störenfried raus. Ah, das tat gut.
Ich brauche kein Licht zum Sehen
Noch ziemlich blinzelnd habe ich dann wahrgenommen, wie jemand anderes in den Waschraum kam, als ich rauswollte. Großzügig habe ich angeboten: „Das Licht, das lasse ich Ihnen noch an, damit Sie auch etwas sehen“. Und war ziemlich überrascht über die Antwort: „Danke schön, das brauche ich gar nicht!“ Huch, der Raum hatte doch gar kein Fenster, ohne Licht war es stockdunkel! Aber erst dann habe ich gesehen: Die Dame, die hereingekommen war, ist blind, sie hat ihren Stock zum Sehen. Für sie war es egal, ob das Licht an ist oder aus. Und ich habe sie selbst mit Licht nicht richtig gesehen.
Dankbar, dass ich besser sehen konnte als vorher
Sehen, einander wahrnehmen, hängt nicht nur an den Augen oder am Licht. Und damit wir einander wirklich gut sehen, brauchen wir viele verschiedene Weisen zu sehen. Sehr nachdenklich bin ich über den Flur zu der Sitzung über Inklusion gegangen. Und war dankbar, dass ich wieder was sehen konnte, hoffentlich sogar ein bisschen besser als vorher. Und das nicht nur mit meinen Augen!