Die Kraft für den Nächsten einsetzen
In Zeiten wie diesen mag ich manchmal keine Nachrichten mehr sehen. Überall Bilder von Krieg, Leid, Elend. Wie lassen sich bloß all diese Probleme lösen? Wenn sich diese Frage stellt, setzt sich der Vogel Kleinmut regelmäßig auf meine Schulter und flüstert mir ins Ohr, wie schlecht es um alles bestellt ist.
Beim letzten trüben Gedankengang über die Weltlage erreicht mich die Mail einer Freundin. Sie zitiert Hermann Hesse: „Fühle mit allem Leid der Welt, aber richte deine Kräfte nicht dorthin, wo du machtlos bist, sondern zum Nächsten, dem du helfen, den du lieben und erfreuen kannst.“
Mitfühlen ja, aber sich nicht runterziehen lassen
Das hilft. Den Vogel Kleinmut schubse ich sofort von meiner Schulter. Ich verstehe Hermann Hesse so: Mitfühlen ja, aber sich nicht runterziehen lassen. Und nicht das Große anpacken, sondern im Kleinen wirken.
Hesse sagt: „Richte deine Kräfte nicht dorthin, wo du machtlos bist, sondern zum Nächsten.“ Da gibt es reichlich zu tun. Der Nachbarin zuhören, der eine schwierige Untersuchung bevorsteht. Dem Freund beim Streichen seiner Wände helfen. Dem Mädchen aus der Ukraine Nachhilfe in Deutsch geben. Die Dankbarkeit der Nachbarin, die Umarmung des Freundes, das Strahlen der jungen Ukrainerin lässt die Welt in einem helleren Licht erscheinen. Es ist, als ob sich Dinge verändern lassen.
Die Dinge im Kleinen verändern
Und das tun sie ja auch, nur eben im Kleinen. Uneigennützig ist das nicht. Es hebt meine Laune, den Menschen um mich herum freundlich zu begegnen. Zugegeben: Das klappt nicht immer – an schlechten Tagen eher gar nicht -, aber immer öfter. Ich frage mich jetzt mehr als vorher: „Womit kann ich Menschen erfreuen?“ Kleine Gesten genügen: ein aufmunterndes Wort hier, eine kleine Gefälligkeit dort, ein Lächeln. Einfach mal ausprobieren und sehen, was passiert.