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Kraut oder Unkraut?

Kraut oder Unkraut?

Johanna Fröhlich
Ein Beitrag von Johanna Fröhlich, Evangelische Pfarrerin, Gießen
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Ich muss mal wieder Unkraut rupfen. Wo ich wohne, gehört es dazu: die Anwohner halten den Weg vorm Haus in Ordnung und entfernen das Unkraut. Aber was ist eigentlich Kraut und was Unkraut? Mir scheint: Es gibt einen ungeschriebenen Codex: wildwachsende Pflanzen sind schlecht, kultivierte sind gut.

Warum unterteilen wir Pflanzen in Kraut und Unkraut?

Ich zweifle an dieser Einteilung in gute und schlechte Pflanzen, Kraut und Unkraut. Warum darf diese Pflanze bleiben und eine andere nicht? Denn ich reiße auch Pflanzen aus, die ich mag. Den Löwenzahn zum Beispiel, den esse ich gerne als Salat. Oder den Sauerklee zwischen den Steinen: Die herzförmigen, lila Blätter sehen so hübsch aus.  

Menschen fällen Urteile in fast allen Bereichen des Lebens

Kraut und Unkraut, gut und schlecht. Diese Urteile fällen Menschen in fast allen Bereichen: Dieses Restaurant ist so gut, der Film ist grottenschlecht. Solches Werten und Urteilen gehört zu unserem Denken und Reden dazu. Aber manchmal ärgern mich diese Schubladen. Nicht nur bei den Pflanzen. Am schlimmsten finde ich sie, wenn es um Menschen geht, wenn Menschen eingeteilt werden in gut und schlecht.

"Ihr sollt andere nicht verurteilen, damit Gott euch nicht verurteilt..."

Jesus hat dazu gesagt: „Ihr sollt andere nicht verurteilen, damit Gott euch nicht verurteilt. Denn das Urteil, das ihr fällt, wird auch euch treffen.“ (Matthäus 7,1+2a) Für Jesus war klar: Urteilen steht uns nicht zu. Vor allem, wenn es um Menschen geht. Natürlich kann ich die Meinung eines anderen ablehnen oder eine Tat verurteilen – aber nie den ganzen Menschen. Denn Menschen können sich ändern, können aus Fehlern lernen, können um Vergebung bitten und neu anfangen. Aber eben nur, wenn sie nicht in Schubladen feststecken.

Ein Vorgarten ist ein guter Übungsplatz gegen solche Vorurteile

Ich glaube mein Vorgarten ist ein guter Übungsplatz gegen solche Vorurteile. Die Pflänzchen vor meiner Tür machen mich dafür sensibel: Wo teile ich vielleicht auch noch ein in gut und schlecht und urteile zu schnell? Da schaue ich genauer hin.

Na klar, ich halte Straße und Gehsteig weiter ordentlich. Aber bewusster: Den Löwenzahl verarbeite ich zum Salat und den schönen Klee lass ich jetzt munter wachsen. Und ich bin sicher: Wenn ich weniger urteile, können vielleicht auch die Menschen um mich herum munterer wachsen.

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