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Heilige Orte
Pixabay/Andreas

Heilige Orte

Claudia Sattler
Ein Beitrag von Claudia Sattler, Evangelische Pfarrerin, Herborn
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Es gibt Orte, die sind besonders. Weil man von dort anders weggeht, als man hingekommen ist. Ich nenne das „heilige Orte“.

Ein schief gewachsener Baum im Wald

Emil hat so einen heiligen Ort. Er ist 13 und hat es gerade oft schwer mit seinen Eltern. Wenn es zu Hause mal wieder dicke Luft gibt, zieht er sich deshalb in den Wald zurück, an diesen einen schief gewachsenen Baum. Dort hört er Musik, spielt auf dem Handy, guckt sich um. Wenn er wieder nach Hause geht, ist er meistens verändert. Manchmal fühlt er sich stärker, manchmal geduldiger. Immer geht er ein Stückchen heiler weg als er hingegangen ist. Das macht diesen Baum zu einem heiligen Ort. Nicht für jeden, aber für ihn.

Tagträumen auf der Fensterbank

Auch in meinem Leben gibt es immer solche heiligen Orte. Die Fensterbank in meinem Jugend-Zimmer, auf der ich früher stundenlang gesessen habe: Den Blick über Hanau, aber mit Gedanken rund um die Welt. Da redete mir keiner rein, Tagträumen war erlaubt.

Ein Stein im Bach

Oder der Stein am Bach im Urlaub, auf dem ich gesessen habe. Das Wasser floss an mir vorbei und die Todo-Liste in meinen Kopf floss gleich mit davon. Auch der neu eröffnete Chorraum der Herborner Kirche ist für mich so ein Ort. Er ist hell und weit. Ich kann dort gut singen und beten.

Auszeit-Orte zum Kraftschöpfen

Heilig sind mir alle diese Orte, weil ich immer ein bisschen verändert bin, wenn ich wieder von ihnen weggehe. Es sind Auszeit-Orte. Nischen im Alltag. Da kann ich Kraft schöpfen, Mut fassen, Ruhe finden. Da kann ich reden. Mit mir und mit Gott.  

In Kontakt kommen mit sich selbst und Gott

Heilige Orte berühren mich tief – ich gehe verändert wieder von ihnen weg. Nicht weil sie magisch sind, sondern weil ich dort in Kontakt komme mit mir und mit Gott. Da muss ich nicht funktionieren, meine Gedanken können sich ordnen oder sogar ganz abschalten. Den stressigen Alltag kann ich ein Stück bei Seite schieben und stattdessen Platz schaffen für alles, was mir auf der Seele liegt. Ich kann es Gott sagen und ihn bitten zu helfen.  

Etwas heiler in den Alltag zurückgehen

Oft gehe ich von diesen besonderen Orten ein bisschen heiler wieder in den Alltag zurück. Etwas von der Kraft und der Ruhe nehme ich mit. Und wiederkommen kann ich auch. Oder neue heilige Orte finden. Es lohnt sich, Augen und Herz dafür offen zu halten.  

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