
Ein Wir-Gefühl für Europa
Moderator/in: Über Europa wird in diesen Tagen viel geredet. Gerade erst war die Wahl zum europäischen Parlament. Und jetzt natürlich der Fußball. Nachdem sich die deutsche Mannschaft schon jetzt für das Achtelfinale qualifiziert hat, ist die Euphorie groß. Pfarrer Matthias Viertel lässt sich davon anstecken und sucht in seinem hr 1 Zuspruch nach dem, was Europa verbindet.
Europa ist im Fußballfieber – ich auch. Angesteckt habe ich mich beim Eröffnungsspiel Deutschland gegen Schottland. Und zwar beim Public Viewing in einem Lokal, zusammen mit hundert anderen Fans. Viele von ihnen mit Trikot und Schals. Als das erste Tor fiel, tobte der Saal vor Begeisterung - eine tolle Stimmung.
Wir-Gefühl gegen die Einsamkeit
Manche sagen, Fußball sei eine Therapie gegen Einsamkeit, und da ist etwas dran. Beim Public Viewing merkt man das. Da entsteht dieses besondere Wir-Gefühl. Da kann ich zusammen mit anderen bibbern, darf Gefühle zeigen, auch fluchen, wenn das Spiel schlecht läuft, vor allem aber singen und jubeln, wenn wir gewinnen.
Abgrenzen oder Grenzen überwinden?
Im Sog des Wir-Gefühls hoffe ich auf einen Sieg Deutschlands. In den Medien ist sogar die Rede vom „Sieg über Ungarn“ [i]Aber ich frage mich: Ist das eigentlich richtig? Mit Hymne und Fahnen grenzen wir uns ab vom Gegner, von den anderen Nationen, während in der Politik diese Grenzen doch überwunden werden sollen.
Europa verbindet
Ist das nicht ein Widerspruch? Ich denke nicht, jedenfalls nicht, wenn ich einem biblischen Leitfaden folge. Im Galaterbrief (3,28) heißt es: „Da ist weder Jude noch Grieche, weder Knecht noch Freier, da ist weder Mann noch Frau; denn im Glauben seid ihr alle gleich.“ Auf den Fußball übertragen heißt das: Da treten zwar Schotten und Ungarn, Christen und Moslems, Menschen unterschiedlicher Sprache und Kultur, gegeneinander an. Aber sie alle leben in Europa, einem Kontinent, der sich nach einer Zukunft sehnt, in der Jubel für die einen nicht Ausgrenzung der anderen bedeutet.
Europas schönte Seite: Gemeinschaft
Wenn auf dem Spielfeld die Nationalmannschaft aufläuft, bekommt auch der Begriff der Nation eine neue Bedeutung. Da zeigt sich Europa von der schönsten Seite: Differenzen werden dabei nicht ausgeblendet, aber sie werden überdeckt von einem Gefühl der Gemeinschaft. Das können wir auch im Parlament gut brauchen.
[i]www.zdf.de/sport/fussball-em/2024-deutschland-ungarn-gruppe-a-zusammenfassung-highlights-100.html