
Ich aber sage euch
Vor einigen Tagen fragte mich meine Tochter: „Papa, was bedeutet Gerechtigkeit?“ Nach einer kurzen Denkpause antwortete ich: „Für mich ist Gerechtigkeit, wenn jeder das bekommt, was er zum Leben braucht.“ Diese Antwort hat sich bei mir über die letzten Jahre entwickelt. Denn sie nimmt die Bedürfnisse des Einzelnen in den Blick. Sie bewahrt davor, alles gleich zu machen. Und lässt ganz bewusst Unterschiede zu.
Mit einem Blick in die Bibel wurde mir jedoch schnell klar, dass ich mit dem Begriff der Gerechtigkeit noch nicht ganz fertig bin. In der Bergpredigt setzt Jesus noch einen drauf: „Wenn eure Gerechtigkeit nicht weit größer ist als die der Schriftgelehrten und der Pharisäer, werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen.“ (Mt 5,20)
Und Jesus wird konkret: „Ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt worden ist: Du sollst nicht töten; wer aber jemanden tötet, soll dem Gericht verfallen sein.“ (Mt 5,21) Bis hierher ist alles okay.
Aber Jesus spricht weiter: „Ich aber sage euch: Jeder, der seinem Bruder auch nur zürnt, soll dem Gericht verfallen sein; und wer zu seinem Bruder sagt: Du Dummkopf, soll dem Spruch des Hohen Rates verfallen sein.“ (Mt 5,22)
Mit diesen Worten setzt Jesus noch einen drauf. Er verschärft das 5. Gebot: Du sollst nicht töten. Jesus macht unmissverständlich klar: Ich will, dass du den anderen leben lässt. Darüber hinaus weitet er das Töten auf einen Bereich aus, der bisher so nicht im Blick war: „Auch dort, wo ich anderen meinen Zorn spüren lasse, sie beschimpfe oder bloßstelle, vergehe ich mich an ihrem Leben.“ Das ist die neue christliche Glaubensurkunde, die die Bergpredigt verkündet.
Eine einfache Formel: Respekt plus Frieden gleich Gerechtigkeit für die Menschen
Modern gesprochen, fällt damit Mobbing in den Bereich des 5. Gebots. Gott geht es um den Frieden unter den Menschen. Und das ist ihm wichtiger als seine Ehre. Sicherlich ist das auch die Motivation, die Papst Franziskus immer wieder dazu bewegt, sich für den Frieden unter den Völkern einzusetzen. Eben ganz in der Treue zur Bergpredigt.
Ein Blick in die Schulen macht diesbezüglich Hoffnung. Denn die vielen Streitschlichter, die sich an zahlreichen Schulen für ein besseres Miteinander und für Versöhnung einsetzen, wirken daran mit, dass diese neue Gerechtigkeit erfahrbar wird.
Wer für diese Gerechtigkeit Jesu nicht bereit ist, hat es schwer in Wahrheit mit Gott und den Menschen zusammenzuleben.