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Wenn Träume sich erfüllen
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Wenn Träume sich erfüllen

Jelena Wegner
Ein Beitrag von Jelena Wegner, Evangelische Pfarrerin, Siegbach

Ich habe einen Patenonkel. Siegfried. Ich weiß gar nicht viel über ihn. Außer, dass es immer lustig war, wenn er zu Besuch kam, und dass er die Welt bereiste. Immer mal wieder habe ich Post von seinen Reisen bekommen.

Eine Postkarte aus Athen

Als ich acht Jahre alt war, kam eine Postkarte aus Griechenland. Auf der Vorderseite das bekannteste Gebäude Athens: der Parthenon, Haupttempel der Akropolis – weiße Säulen vor blauem Himmel. Diese Karte war für mich etwas Besonderes. Sie erzählte von der Ferne. Und ich dachte: Wenn ich groß bin möchte, ich auch die Welt bereisen. Ich habe die Postkarte aufbewahrt. Sie kam in einen Schuhkarton, den ich mit der Zeit mit weiteren Briefen und Postkarten aus aller Welt füllte.

Endlich auf der Akropolis

Das ist inzwischen über dreißig Jahre her. Einige Länder habe ich seitdem schon bereist. Dieses Jahr haben mein Mann, meine Tochter und ich endlich auch eine Reise nach Griechenland gemacht – zur Akropolis. Bei Sonnenschein und wolkenlosem Himmel machen wir uns an den anstrengenden Aufstieg. Die alten Ruinen der Akropolis stehen auf einem Felsplateau über der Ebene von Athen. Der Parthenon bildet das Zentrum. Wie auf der Postkarte.

Ein Traum wird wahr

Als ich vor dem großen, säulenumrandeten Gebäude stehe, falle ich zurück in die Zeit. In meine Vergangenheit. Ich bin auf einmal wieder acht Jahre alt und halte die Karte meines Patenonkels in den Händen. Und mir fällt mein Traum ein, wie er die Welt zu bereisen. Ich hatte diesen Wunsch längst vergessen. Aber jetzt stehe ich da. Gut dreißig Jahre später. Zu Füßen des Parthenons. Eine erwachsene Frau und gleichzeitig eine Achtjährige mit großen Träumen. Die Vergangenheit für einen Moment gegenwärtig. Die Zeit aufgehoben.

Manche Träume begleiten uns ein Leben lang

Ich glaube: tiefsitzende Träume begleiten uns ein Leben lang. Für manche Träume lohnt es sich zu kämpfen. Manche erfüllen sich ganz unerwartet – irgendwann, wenn ich gar nicht mehr daran denke, so wie mein Traum mit der Akropolis. Andere Träume bleiben ein Leben lang unerfüllt, eine Sehnsucht, die immer mitschwingt. Manche Träume muss ich ganz loslassen, auch wenn es schwerfällt.

Wieder zurück in Deutschland suche ich nach dem alten Schuhkarton. Ich finde ihn auf dem Schrank auf dem Dachboden. Gut sortiert sind die alten Briefe und Karten. Und so finde ich auch, ziemlich abgegriffen, die Postkarte von damals. Ich nehme sie mit und hänge sie neben meinen Schreibtisch an die Wand. Sie erinnert mich: Manche Träume werden tatsächlich wahr.

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