Arbeitest Du noch oder lebst Du schon?
Hach, was war das für ein schöner Tag: der 1. Mai am letzten Mittwoch. Es war ein warmer Tag, die Straßen waren voller Menschen, die dafür demonstriert haben, dass Arbeit nur ein Teil des Lebens ist. Arbeitest du noch oder lebst du schon, fragte mich scherzhaft eine Frau, die ich im ICE traf, als wir über den Tag der Arbeit sprachen.
Alle Menschen, egal, ob sie demonstriert haben oder einfach ernst gemacht haben mit dem Arbeitsfrei, erinnern mich an die Schöpfungsgeschichte. Selbst Gott musste ruhen am 7. Tag, als er seine Schöpfung vollbracht hatte. Mir ist das eine wichtige Erinnerung inmitten aller Anforderungen des Arbeitslebens. Dass mein Arbeitsleben im richtigen Gleichgewicht steht zu den Momenten im Leben, die mir Ruhe schenken, die mich ausruhen lassen, die mich - ja - glücklich machen. Moderne Arbeitswissenschaftler:innen sprechen nicht mehr von Work-Life-Balance, sondern von Life-Balance. Wenn wir feiern oder meditieren, arbeiten oder uns ausruhen, es geht um Balance. Daran kann uns der 1. Mai erinnern, aber auch jeder kleine Sonntag. Wir sind Menschen und brauchen Ruhe.
„Was wäre gewesen wenn …?“
Ich habe 20 Jahre lang Menschen am Ende ihres Lebens begleitet. Wenn sie auf ihr Leben zurückschauten, hat niemand gesagt: „Ich hätte doch mal mehr arbeiten sollen“ oder „toll, dass ich mich bis an den Rand des Burnouts gearbeitet habe“. Die Sterbenden sagten mir: „Hätte ich mich doch auf das Wesentliche konzentriert“ oder „hätte ich mir doch mehr Zeit für meine Kinder genommen“. Am Ende des Lebens bereuen Menschen, ihre Zeit nicht entsprechend dessen verwendet zu haben, was ihrem Leben Sinn gibt.
Um das nicht erst am Ende des Lebens zu erkennen, ist es wichtig, Ruhepunkte mitten im Leben zu haben. Ruhepunkte, in denen man den Blick freibekommt für das Wesentliche. „Am 7. Tag sollst du ruhen“ - selbst Gott hat mal Pause gemacht. Ruhen wir uns auch mal aus, damit wir am Ende unseres Lebens sagen können: „Ich habe gelebt und nicht nur gearbeitet.