Herbst: die Seele winterfest machen
Heute beginnt der Herbst. Zumindest steht es so im Kalender. Der Sommer ist offiziell vorbei. Ehrlich gesagt: Ich hab diese Zeit immer gemocht, den Herbst, gerade den Herbstanfang: Wenn die Blätter langsam bunt werden und die Luft gerade morgens richtig schön kühl und frisch ist. Früher hab ich es sogar genossen, wenn es draußen neblig oder regnerisch war. Dann hab ich es mir zu Hause gemütlich gemacht, viel gelesen, Tee getrunken und einfach diese ruhige, melancholisch-romantische Stimmung genossen.
Mit kleinen Kindern war der Herbst nicht mehr so gemütlich
Das hat sich in den letzten Jahren aber leider geändert. Zum einen wegen der Kinder: Als sie klein waren, mussten wir ihnen für jeden kleinen Spaziergang etliche Schichten an Klamotten erst an- und später auch wieder ausziehen – das war echt anstrengend. Und ständig kamen sie mit neuen Infekten aus dem Kindergarten heim – und haben meistens auch uns Eltern angesteckt. Diese Zeit mit kleinen Kindern hat meine Liebe zum Herbst ziemlich gedämpft.
Im Herbst stehen Depressionen vor der Tür
Außerdem hat sich in den letzten Jahren noch ein zusätzliches Thema in meinem Leben breit gemacht. Und das macht es echt schwer, die Gemütlichkeit im Herbst zu genießen. Das Thema heißt: Depressionen. Ich habe Depressionen - und die stehen vor allem immer dann vor der Tür, wenn die Tage dunkler und kürzer werden, im Herbst. Wenn das lebendige Treiben des Sommers vorbei ist. Wenn es ruhiger wird um mich herum und auch in mir drin. Leider kann das für mich eine ziemlich kritische Phase sein.
Aufpassen und gut für mich sorgen
Klar, das geht ja vielen so: Im Winter ist fast jeder etwas müder und antriebsloser als im Sommer. Aber: Die Depressionen verstärken das bei mir manchmal so sehr, dass nichts mehr geht. Meine Gedanken bilden dann einen Strudel aus Zweifeln, Sinnfragen und Schuldgefühlen. Und wenn ich nicht aufpasse, ziehen sie mich ganz tief mit runter – und aus diesem Loch komm ich dann nicht mehr alleine raus. Deshalb muss ich aufpassen und gut für mich sorgen. Meine Familie unterstützt mich dabei. Außerdem gehe ich regelmäßig zur Psychotherapie. Gott sei Dank fühle ich mich momentan stabil. Trotzdem macht mir die Aussicht auf die dunkle Jahreszeit manchmal Angst.
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Tageslichtlampe, 10er-Karte für die Sauna, schönes Buch
Wegen der Depressionen ist es schwerer für mich geworden, mich auf die gemütliche Seite des Herbstes zu freuen – so, wie früher. Aber ich habe Wege gefunden, die mich vor allzu großer Erschöpfung schützen und mir gut tun. Zum Beispiel hab ich eine Tageslichtlampe, die das Sonnenlicht imitiert und die an dunklen Tagen gleich morgens unseren Frühstückstisch erleuchtet. Ich werde sie wohl bald rausholen, denn momentan hab ich sie noch in einer Kiste im Keller verstaut. Diese Kiste ist sonnengelb – und darin sind lauter Dinge, auf die ich mich im Herbst freue. Außer der Tageslichtlampe sind da zum Beispiel noch meine 10er-Karte für die Sauna, ein schönes Buch, das ich schon lange mal lesen will, und meine Lieblingsstrickjacke. Auf all das freu ich mich, denn es tut mir einfach gut.
Besonders die Zeit draußen in der Natur tut mir gut
Richtig gut und heilsam ist für mich allerdings noch etwas anderes – und zwar das ganze Jahr über. Nämlich: die Natur. Seit ich einen großen Teil meiner Zeit draußen verbringe, geht es mir viel besser! Es ist ja wissenschaftlich erwiesen: Die frische Luft in der Natur, besonders im Wald, tut unserem Organismus unheimlich gut. Stresssymptome nehmen messbar ab und Abwehrkräfte vermehren sich.
Die Natur ist oft wie Medizin für die Menschen
Und weil die Natur nicht nur für mich, sondern für alle gut ist, biete ich seit knapp zwei Jahren die „Outdoorseelsorge“ an. Da gehe ich mit einzelnen Menschen, Gruppen oder Paaren in die Natur. Mit Methoden aus dem Naturcoaching oder Waldbaden unterstütze ich sie darin, die Verbundenheit mit sich selbst, mit der Natur und manchmal auch mit Gott wieder zu spüren. Das ist oft wie Medizin: für die Menschen, mit denen ich unterwegs bin – und auch für mich.
Ich lerne von der Natur, durch den dunklen Herbst zu kommen
Mir wird immer mehr bewusst: Wir sind Naturwesen, wir sind Natur! So banal das klingt, aber das hatte ich aus irgendwelchen Gründen vergessen oder einfach für selbstverständlich gehalten. Ich glaube: Dieses Vergessen hat mir nicht gutgetan und oft auch meine Depressionen verschlimmert. Umgekehrt stärkt es mich, wenn ich spüre: Ich bin verbunden mit dieser Schöpfung, mit allem, was ist. Ich bin Natur. Deshalb bin ich so gerne draußen. Und jetzt im Herbst merke ich: Ich kann auch ganz viel von der Natur lernen, was mir hilft, durch die dunkle Jahreszeit zu kommen. Denn wenn ich jetzt bei meinen Spaziergängen unter den Bäumen sehe: Die ersten Blätter werden bunt und welk, dann spür ich: Auch bei mir ändert sich was. Auch ich schalte jetzt mal einen Gang zurück.
Es gibt für alles eine bestimmte Zeit
In der Bibel heißt es: „Alles hat seine Zeit.“ (Buch der Prediger / Kohelet, Kapitel 3). Und wenn ich in die Natur schaue, sehe ich das auch. Das hat wohl auch der Verfasser dieses klugen Satzes in der Bibel getan, denn er schreibt weiter: „Für jedes Geschehen unter dem Himmel gibt es eine bestimmte Zeit: eine Zeit zum Gebären und eine Zeit zum Sterben, eine Zeit zum Pflanzen und eine Zeit zum Ausreißen der Pflanzen.“ Die Natur zeigt mir, was wann dran ist. Sie zeigt mir: Es gibt für alles eine bestimmte Zeit. Die Zeit geht eben nicht sommers wie winters gleichmütig weiter. Es gibt ganz natürliche Unterschiede.
Ich kann jetzt anders leben als im Sommer
Und die will ich in den kommenden Herbst- und Wintermonaten noch besser wahrnehmen – und, so gut es geht, respektieren. Klar, ich kann jetzt nicht einfach alles stehen und liegen lassen und Winterschlaf machen. Aber: Ich kann etwas anders leben und arbeiten als im Sommer. Ruhiger, etwas zurückgezogener, langsamer, vielleicht auch besonnener. Ich bin gespannt, was das mit mir macht – und ob und wie sich diese Art der Naturverbundenheit auf meine Depressionen auswirkt.
Musik
Die Natur ist mein Vorbild
Die Natur ist mein Vorbild, auch für meine Arbeit: Im Frühjahr und Sommer blüht sie auf und wächst, lässt erst Knospen und dann Früchte sprießen. Im Herbst dürfen die Früchte geerntet und genossen werden, vielleicht auch „eingekocht“, also haltbar gemacht für spätere Zeiten.
Pausieren, in Ruhe anschauen und überdenken
Ich werde dieses Prinzip mal auf meine Arbeit anwenden: Ab November pausiere ich mit meinen Projekten und Angeboten. Stattdessen werde ich das, was ich im letzten Jahr gemacht hab, in Ruhe anschauen und überdenken. Dabei werde ich mich bestimmt an den vielen schönen Erinnerungen freuen, einiges überarbeiten und neu sortieren. Dann hab ich sozusagen schon ein paar Ideen „eingekocht“ für die nächste Saison.
Fallenlassen und schauen, was Neues daraus wächst
Im Herbst welken die Blätter und fallen auf den Boden. Dort werden sie zu Humus, zu fruchtbarem Boden für neue Pflänzchen. Die wachsen ja schon im Winter in aller Ruhe und für uns unsichtbar unter der Erde oder der Schneedecke. Im Frühjahr brechen sie dann vorsichtig hervor, wachsen, blühen – und der Jahreskreis beginnt von Neuem. Das bedeutet für mich: Einiges von dem, was ich im Sommer gemacht habe, darf abgeworfen werden wie welke Blätter. Manche Ideen haben ganz einfach ihre Schuldigkeit getan. Ich brauch sie jetzt nicht mehr. Ich darf sie „fallen lassen“ – und gespannt sein, welche neuen zarten Pflänzchen, welche neuen Ideen daraus wachsen.
Im Einklang mit der Natur einen Gang zurück schalten
Im kommenden Herbst und Winter werde ich meinen Alltag also ganz bewusst anders gestalten als im Frühjahr und Sommer. Auch, wenn das bedeutet: Es wird ruhiger um mich herum und in mir drin. Aber trotz der Depressionen macht mir das keine Angst mehr, im Gegenteil. Ich freu mich auf diese besondere Zeit. Ich freu mich darauf, im Einklang und in Verbundenheit mit der Natur zu leben und mit ihr gemeinsam einen Gang zurückzuschalten.