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Alexa Feser: Das Gold von Morgen
Bild: Pixabay

Alexa Feser: Das Gold von Morgen

Stephanie Rieth
Ein Beitrag von Stephanie Rieth, Bevollmächtigte des Generalvikars und Dezernentin im Bistum Mainz
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Manchmal bin ich schon morgens beim Aufstehen hundemüde, nicht, weil ich so früh aufstehen muss, sondern weil ich eine unruhige Nacht verbracht habe. Weil mir ein Problem vom vergangenen Tag nicht aus dem Kopf geht, ich mir Sorgen um etwas mache und kurzfristig einfach keine Perspektive habe.

„Das Gold von Morgen“: So heißt ein Song von Alexa Feser, der diese Stimmung aufgreift – vor allem in der ersten Strophe.

Lang der Tag und kurz die Nacht, oh oh oh oh oh

Schon wieder kopflos aufgewacht, oh oh oh oh oh

Das Herz ist leer, der Kopf ist voll

Nichts gelingt und alles soll

Der nächste Tag, das reicht als Ziel

Der nächste Tag, ist schon das Ziel  

 

Du bist mir was wert

Obwohl diese erste Strophe so schwer klingt – bei dem Songtitel hab ich erst mal Schönes und Leichtes im Kopf. „Das Gold von Morgen“ heißt der Song von Alexa Feser – da kommen mir Bilder, die zum Träumen einladen. Gold - da denke ich an Glanz und Schimmer, an einen Sonnenaufgang an einem Sonntagmorgen, der die Welt in ein schönes warmes Licht taucht. Gold ist das Material für Herrschaftszeichen: Kronen, Zepter aus Gold symbolisieren dauerhafte Stabilität und Zukunft. Oft sind die Ringe, die für Ehe oder Partnerschaft stehen, aus Gold. Du bist mir was wert, mit dir will ich die Zukunft wagen! 

„Das Herz ist leer"

„Das Gold von Morgen“ – der Song von Alexa Feser führt aber erst einmal gar nicht zu diesen traumhaft schönen Bildern. Die gebürtige Hessin, die heute als Singer und Songwriterin in Berlin lebt, hat einen Song geschaffen, der am Anfang schwere Kost bereithält. Im Song heißt es: „Das Herz ist leer, der Kopf zu voll. Nichts gelingt und alles soll.“ Ich sehe da einen Menschen vor mir, der erschöpft ist nach einer durchwachten Nacht, in der er zwar Probleme gewälzt, aber keine Lösungen gefunden hat. 

Im Dauerzustand feststecken

Auch mir geht es – wie vermutlich einigen anderen – ab und zu so. Für einen gewissen Zeitraum kann ich mit solchen kurzen Nächten auch gut umgehen. Mir begegnen aber immer wieder auch Menschen, die stecken in solchen Situationen fest – im Dauerzustand sozusagen, die sehen keinen Ausweg und hangeln sich von Tag zu Tag, weil die Kraft nur bis zum nächsten Tag reicht. Menschen, die in einer Lebenskrise stecken, weil sie krank sind, Traumatisches erleben mussten oder einfach nur von den Ereignissen oder Anforderungen des Lebens erschöpft sind. 

In der nächsten Nacht das gleiche

Ein Freund ist an einer Depression erkrankt – jeden Morgen wird er um vier Uhr wach und wälzt sich im Bett hin und her, bedrückende Gedanken lassen ihn nicht wieder einschlafen, bis er um sechs Uhr völlig erschlagen aufsteht – in der nächsten Nacht das gleiche.

„Kannst du dir eigentlich vorstellen, wie schwierig das ist, sich überhaupt aus dem Bett zu quälen?“, hat er mich mal gefragt. „Es ist ein riesen Erfolg, wenn ich einen Tag geschafft habe, einigermaßen gut durchgekommen bin.“ Oder wie Alexa Feser es singt: „Der nächste Tag, das reicht als Ziel. Der nächste Tag, ist schon das Ziel.“  

Augen zu und durch

Wie oft hat sich mein Freund anhören müssen: Komm, reiß dich zusammen, stell dich nicht so an, das geht schon wieder vorbei. Solche gutgemeinten Ratschläge sind dann wie ein Fluch für ihn. Sie verletzen ihn, verschärfen seine Situation noch, weil er sich dann zu alledem noch unfähig fühlt. Oft ist die Botschaft dahinter: Das Leben ist hart, und es gibt eben mal ein blaues Auge. Augen zu und durch.

Davon weiß auch Alexa Feser zu erzählen. 

Augen zu und durch, das stimmt, oh oh oh oh oh

Sieh nicht hin, sonst wirst du blind, oh oh oh oh oh

Das Leben hat 'ne Eisenfaust

Weich den harten Schlägen aus

Scheuklappen auf, flieg g'rade aus

Blaues Auge, Brille auf  

 

Alles steckt in dem Wörtchen „Oh“

Alexa Feser hat diesen Song 2014 in ihrem Debütalbum mit dem gleichen Titel veröffentlicht. Mit „Gold von Morgen“ ist sie bekannt geworden. Mit diesem Song erzählt sie die Geschichte von Menschen, die nicht einfach so von einer schönen Zukunft träumen können. Menschen, die gerade ein schweres Los haben.

Und dann – immer wieder dieses markante oh oh oh oh oh. Wohl eher kein Füllwort, weil der Texterin nichts Sinnvolles eingefallen wäre. Mich erinnert es an einen Klagelaut, an verzweifeltes Weinen, oder an einen Ausruf von Sprachlosigkeit, weil dem Menschen, der gerade in dieser Situation steckt, eben nichts mehr einfällt, was seine Situation wenden könnte. Klage, Weinen, Hadern und Verzweifeln am Leben – alles das passt in das kleine Wörtchen „Oh“. 

Genau dort findest du es

Aber dabei bleibt die Sängerin nicht stehen. Im Refrain entwickelt der Song eine ganz neue Perspektive, ganz behutsam, zurückhaltend, als Angebot aber auch als Ermutigung:

Wenn dich das Leben niederstreckt

Und du liegst mit dem Gesicht im Dreck,

Fang an zu graben.

Denn dort ist es verborgen, genau da findest du

das Gold von Morgen. 

 

„Fang an zu graben“

In diesen Refrain hat Alexa Feser ganz viel reingelegt. Etwas, was man mit Worten ausdrücken kann, aber eben noch so viel mehr. Sie selbst hat es in einem Interview so formuliert. Sie sagt: „Es geht um Hoserunterlassen, Emotionen freizulegen, auch unangenehme Emotionen.“ Das Unangenehme, das wird von der Sängerin nicht einfach weggesungen. „Wenn dich das Leben niederstreckt und du liegst mit dem Gesicht im Dreck…“ so heißt es im Song. Von diesem starken Bild wird nichts genommen, es darf bleiben, hat seine Berechtigung.

„Fang an zu graben!“, ruft sie dann aber der Hörerin, dem Hörer zu. Das klingt erst mal fast so, als wollte sie sagen: Grab dich noch tiefer rein in den Dreck, in deine aussichtslose Situation. 

Ich glaube ganz fest daran

Aber darum geht’s eben gerade nicht. Ganz vorsichtig, behutsam bietet Alexa Feser im letzten Vers des Refrains eine Verheißung an. Ja, ich wähle bewusst diesen religiösen Begriff, weil er für mich etwas mit dieser besonderen Situation zu tun hat.

Im Refrain heißt es: „Fang an zu graben. Denn dort ist es verborgen, genau da findest du das Gold von morgen.“

Mein Freund mit der Depression hat mir erzählt: „Weißt du, am meisten haben mir die Menschen geholfen, die mit mir ausgehalten haben, die aber auch gesagt haben: Ich glaube ganz fest daran, dass es für dich wieder Glück und Sinn im Leben geben wird, aber ich weiß, dass du das im Moment nicht sehen kannst.“ Ich finde das eine wichtige Botschaft in allem Elend: Glück und Sinn sind schon da, für dich, für mich, für jeden und jede von uns, oft verborgen und nicht sichtbar, vom Dreck unseres Alltags oder von Kummer und Sorgen bedeckt.

Dieses Reich hat schon angefangen

Mir kommt dabei auch ein biblisches Bild in den Sinn, das vom „Reich Gottes“. Jesus hat es gerne verwendet. Im „Vater unser“ beten wir zu Gott „Dein Reich komme!“ Es ist eine Bitte der ersten Christinnen und Christen voller Sehnsucht nach einer heilen Zukunft ohne Hunger, Verfolgung, Krieg und Elend. Jesus erzählt in vielen Gleichnissen: Dieses Reich Gottes hat schon angefangen hier und jetzt, ist aber noch nicht vollendet! „Es gleicht einem Senfkorn“, sagt er, „Dieses ist das kleinste von allen Samenkörnern, die man in die Erde sät. Ist es aber gesät, dann geht es auf und wird größer als alle anderen Gewächse und treibt große Zweige, sodass in seinem Schatten die Vögel des Himmels nisten können.“ (Markusevangelium 4, 31f.) 

Mit diesem Song Mut machen

Für mich ist das ein wunderbares Bild, es steht für Zuversicht, für den Traum von einer großen Zukunft. Aus etwas ganz Kleinem kann etwas Großes entstehen! Ein kleines Samenkorn trägt den Baum in sich, oder auch das Gold von Morgen.

Alexa Feser möchte mit ihrem Song Mut machen, dem Menschen im Dreck wünscht sie einen Bagger aus Geduld und mit Fantasie, um nach dem Gold von Morgen zu graben. Das Gold von Morgen – das schon da ist, aber noch verborgen. Ich darf danach Ausschau halten, es mir vorstellen, davon träumen und daraus Kraft gewinnen.

Der Weg von A nach B ist leicht.

Oh oh oh oh oh

Nur hat dir leicht noch nie gereicht.

Bau dir nen Bagger aus Geduld mit Fantasie ins Katapult

Dein Segel in den Gegenwind. Du spielst auf Zeit und Zeit gewinnt.

 

Wenn dich das Leben wieder niederstreckt

Und du liegst mit dem Gesicht im Dreck,

Fang an zu graben.

Denn dort ist es vergraben, genau da findest du

das Gold von Morgen.  

 

Es folgt noch ein weiterer Gedanke

Das Gold von Morgen existiert, es ist schon da, aber noch verborgen – so der Gedanke im Song. Aber es folgt noch ein weiterer Gedanke, der auch musikalisch noch einmal etwas Neues bringt. Damit erkennt der Song an: Das Ausschauhalten nach dem Gold von Morgen und das Festhalten an dieser Hoffnung kann ganz schön anstrengend sein. 

Jeder ein König, jeder stolz.

Ein Königreich aus Katzengold.

Die Stadt versinkt im Neondunst.

Nicht mehr zu sinken eine Kunst.  

 

Wir sind Königinnen und Könige, mit einem Königreich, das wir bauen und für das wir sorgen dürfen. Das ist ein schöner Gedanke. Manchmal ist das trügerische Katzengold verlockender, das nur so schimmert wie Gold aber nicht so edel und beständig ist. 

Es existiert schon – auch für dich

Was gibt unserem Leben Bestand? Oft sind es nicht die vermeintlich leichten und schnellen Lebenslösungen, sondern die, die uns Mühe bereiten. 

Ich finde es schön und tröstlich für meinen Freund, aber auch für mich selber, dass der Song mit dem Refrain endet – mit einem Bild, das Zuversicht ausstrahlt, das mich in jeder Lebenslage ermutigt: Halt an deinem Traum vom besseren Morgen fest, träum weiter! Der Song spricht mir zu: Es existiert schon – auch für dich: das Gold von Morgen. 

Wenn dich das Leben wieder niederstreckt

Und du liegst mit dem Gesicht im Dreck,

Fang an zu graben.

Denn dort ist es verborgen, genau da findest du

Fang an zu graben, denn dort ist es verborgen,

Genau da findest du das Gold von morgen.

 

 

 

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