"Ein Traum" von Bosse
Die Fähigkeit zu träumen ist faszinierend. Ob nachts im Schlaf oder während einer Tagträumerei – Wenn ich träume, vermischen sich Realität und Fiktion.
Als Kind hatte ich einen wiederkehrenden Traum: Ich konnte fliegen und die Welt von oben betrachten. Im Traum geht das. Und es fühlt sich dabei ganz echt an.
Axel Bosse widmet ein ganzes Album dem Thema Träumen
Wenn ich träume, tauche ich ein in einen Strom aus Gedanken, Bildern und Gefühlen. Diese sind für mich oft eindrücklicher als die Traumbilder selbst.
Der Künstler Axel Bosse ist davon wohl ähnlich fasziniert wie ich. Deshalb hat er dem Träumen ein ganzes Album gewidmet. Darin kommen Fieberträume vor, Albträume, Tagträume und auch Lebensträume.
So wie Träume sind auch die Songs auf dem Album sehr unterschiedlich, manchmal hell und klar, manchmal düster, aber sie haben immer mit dem Innersten zu tun. Mit dem, was bewusst oder unbewusst in mir arbeitet.
Bosses Song " Ein Traum"
Manchmal ist das die Vergangenheit, die mich nicht loslässt. Davon singt Bosse in seinem Lied „Ein Traum“.
Wer träumt, erschafft sich eine eigene Welt, einen Zufluchtsort, außerhalb von Raum und Zeit. Bosse nennt es sein kleines Vakuum, das besondere Augenblicke und Erinnerungen einschließt, sie konserviert wie ein Lebensmittel mit verlängerter Haltbarkeit.
In diesem Vakuum hält Bosse die Erinnerungen fest an eine vergangene Liebe. Die gemeinsame Zeit war schön. Und wenn etwas schön war, möchte man es noch einmal erleben. Immer wieder: in Dauerschleife.
Ein Medley aus Erinnerungen
Wenn Erinnerungen Lieder wären, gäbe es vielleicht ein Best of Album davon, Bosse nennt es: ein Medley aus Erinnerungen, und ich würde die Repeat-Taste drücken: Ein Traum, ein Traum, ein Traum. Hypnotisch klingen die Worte, wie ein Mantra, dem man sich nicht entziehen kann.
Vielleicht wünscht sich der Träumende, die vergangene Liebe wiederzubeleben. Er versucht, einen Remix der gemeinsamen Zeit zu erschaffen, eine Neuauflage des Originals, zumindest im Traum.
Der Traum von vergangener Liebe-schön und bitter zugleich
Der Sänger träumt, schwelgt in Erinnerungen. Das ist wunderbar und dieses Gefühl kann süchtig machen, wie im Rausch fühlt sich das an – als hätte man Absinth getrunken oder Gras geraucht. Wunderbares Upside Down, singt er: Alles steht Kopf. In diesem Rausch lebt die Vergangenheit noch einmal auf. Aber die Zeit lässt sich nicht zurückdrehen.
Wenn Bosse von einer vergangenen Liebe träumt, ist das für ihn wunderbar und bittersüß zugleich. Er fühlt Freude und Wehmut: Freude über das, was war, und Wehmut über den Abschied und das Ende der Beziehung.
Im Traum eine Zwischenwelt betreten
Die schwerelose Leichtigkeit wiegt plötzlich bleischwer. Und das Vakuum wird zu einem Ort, an dem er feststeckt. Eng und erdrückend. Die Erinnerung nimmt ihm die Luft zum Atmen. So kann nichts Neues entstehen. Er hängt fest im Zwischendrin.
Wenn ich träume, betrete ich eine "Zwischenwelt". Sie liegt zwischen Schlaf und Wachen – und manchmal vermischen sich beide Zustände zu einer einzigartigen, surrealen Erfahrung.
Jakob hat Vater belogen und Bruder betrogen
So eine Erfahrung macht Jakob. Seine Geschichte steht im Alten Testament. Jakob ist Hals über Kopf aus seiner Heimat geflohen. Er ist allein unterwegs. Nach einem langen Tag legt er sich hin. Er schläft direkt auf dem staubigen Boden, bettet seinen Kopf auf einen Stein. Nicht gerade bequem ist das. Aber er ist so erschöpft. Wenn Träume auch dazu da sind, Erlebtes zu verarbeiten, dann hat Jakob Schlaf bitter nötig. Er hat seinen Bruder betrogen und den Vater belogen. Beiden kann er nicht mehr unter die Augen treten. Dabei sehnt er sich vielleicht nach einem guten Wort aus dem Mund des Vaters. Oder nach Versöhnung mit seinem Bruder. Danach, dass alles wieder gut wird.
Im Traum öffnet sich für Jakob der Himmel
Aber jetzt ist er auf der Flucht. Umkehren kann er nicht. Einsamkeit nagt an ihm. Allein in der Fremde. So schläft er ein. Vielleicht fliegt er im Schlaf in sein kleines Vakuum zurück, zurück in die Heimat, zurück zur Familie. Er lässt die Erinnerungen wieder aufleben, wunderbar und traurig zugleich.
Jakob träumt. Und im Traum öffnet sich der Himmel. Eine Leiter erscheint, die von der Erde in den Himmel reicht. Engel steigen auf der Leiter auf und ab. Die ganze Szene ist surreal.
Im Traum ist Gott ihm nahe gekommen
Am nächsten Morgen erwacht Jakob. Keine Ahnung, ob er sich noch an jedes Detail seines Traumes erinnern kann, aber er spürt eine Veränderung: Im Traum ist Gott ihm nahegekommen. Er sagt zu ihm: „Ich bin bei dir, wohin du auch gehst.“ Diese Worte Gottes klingen in Jakob nach. Er fühlt sich getröstet und ermutigt zugleich. Die Einsamkeit, mit der er sich schlafen gelegt hat, weicht dem Gefühl: Ich bin nicht allein. Gott ist an meiner Seite. Und aus dem Blick zurück wird ein Blick nach vorn: Jakob ist bereit, die Vergangenheit loszulassen und weiterzuziehen.
Manche Probleme lösen sich im Schlaf
Manche Probleme lösen sich im Schlaf. „Schlaf erst einmal drüber“ – das ist ein weiser Rat. Wenn ich gestresst bin, und ich keinen klaren Gedanken fassen kann, hilft es mir, mich hinzulegen und zu schlafen.
Wenn ich nach dem Schlafen aufwache, stelle ich häufig fest: mein Gefühlschaos hat sich gelegt. Und vielleicht habe ich eine neue Perspektive gewonnen auf das, was mich beschäftigt. Schlafen ist wie Aufräumen. In meinen Träumen sortieren sich – bewusst oder unbewusst – meine Gedanken und Gefühle.
Träume-kleine Fluchten aus dem Alltag
In diesem Sinne kann ich gut nachvollziehen, was Bosse übers Träumen sagt: Träume sind kleine Fluchten aus dem Alltag, um Kraft zu sammeln und sich neu auszurichten. Aufgewacht aus dem Traum, bin ich bereit für Neues: eine neue Liebe, eine neue Beziehung, neue Bilder und Gedanken, die ein neues Album mit Erinnerungen füllen.
Wir alle träumen, mehr oder weniger. Manche Traumbilder verfliegen schnell. Sie dringen nicht immer ins Bewusstsein. Doch einzelne Traumfragmente, Eindrücke und Gedanken, wirken ins Leben hinein.
Innerlich gestärkt weiterziehen
So wie bei Jakob: Nach dem Schlaf fühlt er sich ausgeruht. Die Vergangenheit lässt er hinter sich. Er ist bereit für das Neue, das vor ihm liegt. Innerlich gestärkt zieht er weiter.
Ich liebe es zu träumen. Und vielleicht erlebe auch ich, wie sich für mich im Traum der Himmel öffnet - Das wäre wirklich wunderbar!