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Unterschiedlich Mutter-Sein - Mütterliche Gedanken am Muttertag
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Unterschiedlich Mutter-Sein - Mütterliche Gedanken am Muttertag

Stephanie Rieth
Ein Beitrag von Stephanie Rieth, Bevollmächtigte des Generalvikars und Dezernentin im Bistum Mainz
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Heute ist Muttertag. Wenn ich an diesen Tag denke, dann erinnere ich mich vor allem an meine eigene Kindheit: die Vorbereitungen und Pläne mit meinen fünf Geschwistern, die wir natürlich versucht haben, geheim zu halten. Unsere Mutter sollte bloß nichts mitbekommen, wenn wir gebastelt oder gebacken haben, Geschenke verpackt, Gedichte gelernt, Blumen gepflückt und den Tisch gedeckt haben. Meistens war das für meine Mutter eine echte Herausforderung, denn bis wir mit allem fertig waren, musste sie sich als Frühaufsteherin ganz schön gedulden. In einem Jahr haben wir mal eine Eistorte selbst gemacht - und irgendwie hatten wir uns mit diesem Vorhaben etwas verschätzt. Entsprechend sah die Küche hinterher aus, und natürlich blieb das Chaos nicht unbemerkt. Aber die Torte hat allen geschmeckt, und so wie ich mich an den Geschmack dieser Torte noch erinnere, so habe ich auch das Bild und den Duft von einem riesigen Strauß Wiesenschaumkraut im Sinn, das damals überall auf den Wiesen der Umgebung zu finden war. 

Ein Relikt aus vergangener Zeit?

Diese Erinnerungen fühlen sich gut an. Manchmal ertappe ich mich aber dabei, dass ich auch kritisch darauf zurückblicke. Ist das nicht ein etwas verklärtes Bild - vom Muttertag, vom Muttersein? Ist der Muttertag nicht ein Relikt aus vergangener Zeit, aus längst überwundenen Sichtweisen auf Rollenmuster? Bedient der Muttertag nicht einfach nur eine Menge Klischees? Der Dank an die Mutter, weil sie aufopferungsvoll, warmherzig, liebevoll immer für ihre Kinder da ist, sich sorgt, bemüht, dass die Kinder eine schöne Kindheit und alle ein gutes Zuhause haben. Sich selbst stellt eine gute Mutter immer hintenan. Das passt auch zu meiner Mutter. 

So richtig klar war uns das nicht

Meine Mutter war hauptsächlich Hausfrau, sie ist aber, seit ich denken kann, immer auch nebenher arbeiten gegangen. Nicht in ihrem eigentlichen Beruf, sondern sie hat immer nach Möglichkeiten gesucht, einer Tätigkeit nachzugehen, die sich mit ihrer Aufgabe als Mutter und Hausfrau verbinden lässt. Während mein Vater durch seine Arbeit oft lange weg war, war meine Mutter tagsüber immer da für uns. Sie hat ganz früh morgens Zeitungen ausgetragen, sie hat, während wir in Kindergarten und Schule waren, in anderen Haushalten geputzt oder in den Abendstunden und am Wochenende im Restaurant bei uns im Ort bedient. So richtig klar war uns das als Kinder vermutlich nicht immer, was unsere Mutter tagtäglich geleistet hat. Und natürlich gab es später dann auch eine Menge Auseinandersetzungen mit ihr, wie das eben dazu gehört, wenn Kinder sich von den Eltern lösen. Trotzdem haben wir immer diesen einen Tag, der im Kalender dafür vorgesehen ist, zu einem besonderen Tag für sie gemacht. Mit einem schönen Muttertagsfrühstück, Selbstgebasteltem und Blumen haben wir ihr Danke gesagt. 

Ich mache vieles anders

Heute ist Muttertag, und ich denke besonders an meine eigene Mutter, die bis heute unermüdlich ist im Tun für andere. Ich bin auch Mutter, in diesem Jahr schon seit zwanzig Jahren. Drei Kinder habe ich, und alle befinden sich auf der Zielgeraden zum Erwachsensein. Ich mache vieles anders als meine Mutter, lebe das Muttersein anders und merke: Mir bereitet das gerade auf dem Hintergrund der Erlebnisse in meiner Kindheit manchmal ein schlechtes Gewissen oder es macht mich zumindest sehr nachdenklich. 

Ich habe mich bewusst dafür entschieden

Nach der Geburt meiner Ältesten bin ich wieder voll arbeiten gegangen, an einer Schule als Religionslehrerin und Schulseelsorgerin. Mein Mann ist zu Hause geblieben, weil er seiner Selbständigkeit gut nachgehen konnte, wenn ich am Nachmittag zu Hause war. Unterricht vorbereiten, Arbeiten korrigieren, das war dann meist abends oder nachts dran. Soweit so gut, das geht mal für eine gewisse Zeit. Beim zweiten und dritten Kind bin ich dann zunächst zu Hause geblieben - auch eine gute und schöne Erfahrung. Ich habe mich sehr bewusst dafür entschieden, Mutter zu sein, und ich bin sehr dankbar, dass ich das Glück hatte, Mutter werden zu können, und unsere drei Kinder sind absolute Wunschkinder. Ich weiß aus dem Bekanntenkreis, dass ungewollte Kinderlosigkeit zumindest phasenweise sehr viel Leid verursacht und gerade für Frauen eine Herausforderung sein kann, ihr Frausein, unabhängig vom Muttersein zu definieren.

Aber Muttersein bedeutet natürlich bei weitem auch nicht immer nur Glückseligkeit. 

 

Das eigene Herz außerhalb des eigenen Körpers

Ich kann mich noch sehr gut an das Gefühl erinnern, wie es war, als ich mit meiner Ältesten nach der Geburt aus dem Krankenhaus nach Hause kam. Neben allem Glück war da auch eine unglaubliche Schwere, eine Last, eine Verantwortung zu spüren, von der ich wusste: die ist jetzt erst einmal da und geht für lange Zeit nicht weg. Elisabeth Stone, eine amerikanische Bibliothekarin und Pädagogin hat einmal gesagt: „Die Entscheidung, ein Kind zu haben, ist von großer Tragweite. Denn man beschließt für alle Zeit, dass das eigene Herz außerhalb des eigenen Körpers herumläuft.“ Ja, das ist so, kann ich bestätigen. Und ich glaube, dass Mütter das noch einmal anders empfinden als Väter. Mein Mann hat immer von der „Wireless Nabelschnur“ gesprochen. Manchmal belustigt, aber manchmal auch resigniert und genervt, wenn zu spüren war: Diese besondere Verbindung zur Mutter, dieses Mutterding lässt sich nicht einfach ersetzen. 

Herzenssache mit großer Tragweite

Muttersein ist eine Herzenssache mit großer Tragweite für das ganze weitere Leben. Das war so, als meine Kinder klein waren, aber gerade auch heute, wo die Auseinandersetzungen mit unseren großen Kindern manchmal überwiegen, ist mein Herz bei meinen Kindern, gibt es da diese Verbindung, diese Wireless Nabelschnur, wie mein Mann sie nennt. Zur Großen, die jetzt im Rettungsdienst arbeitet, zum Mittleren, der auf der Suche danach ist, was er mal werden will, und zur Kleinen, die uns gerade gesundheitlich besonders Sorgen macht. 

Hatte immer was mit Berufung zu tun

Geht das alles auch zusammen mit Arbeit?

Bei allem Mutterglück habe mich schon damals auch gefreut, stundenweise wieder arbeiten zu können, als die Jüngste mit zweieinhalb Jahren in die Kita kam. Meine Arbeit hat mir immer schon Spaß gemacht, war immer schon mehr für mich als eine Möglichkeit oder Notwendigkeit, um Geld zu verdienen. Hatte bei mir immer schon etwas mit Berufung zu tun. Und so habe ich nach Möglichkeiten gesucht, in meinem Beruf als Pastoralreferentin so zu arbeiten, dass es zur Familiensituation, zu meinen Kindern passt.

Ich konnte meine Arbeit, ob in der Gemeinde oder in der Berufungspastoral, meist flexibel einteilen, Kita-Schließtage waren kein Problem, weil ich die Kinder entweder mitbringen konnte oder oft auch vorbereitende Arbeit von zu Hause aus erledigen konnte. 

 

Manchmal helfen Bilder dabei

Heute - das muss ich selbstkritisch feststellen - habe ich einen Beruf, bei dem es eine riesige Herausforderung ist, ihn mit der Familiensituation in Einklang zu bringen. Mittlerweile bin ich Teil der Bistumsleitung, trage dort sehr viel Verantwortung für schwierige Themen, habe viele Termine und bin mehr außer Haus als zu Hause. Ich müsste selbst Grenzen setzen, scheitere aber oft bei dem Versuch, weil die vielen Aufgaben und Themen auf der Arbeit einfach lauter sind als die Stimmen zu Hause. Eine ziemliche Diskrepanz ist das zwischen den Bildern meiner Kindheit und meiner Situation heute. 

Ja, es fehlt das richtige Maß, und da steckt noch eine Menge Arbeit für mich drin, all die Rollen, die ich habe, miteinander in Einklang zu bringen. Manchmal helfen Bilder dabei, sich wieder oder auch regelmäßig neu zu orientieren. 

 

Manches kann natürlich auch ein Vater  

Ich bin im letzten Jahr auf ein tolles Bild gestoßen: Eine französische Buchmalerei aus dem 15. Jahrhundert zeigt eine ganz ungewöhnliche Darstellung von Maria, Josef und Jesus als Säugling.

Ochs und Esel im Hintergrund machen deutlich: Die junge Familie befindet sich noch im Stall, am Geburtsort Jesu.

Während Maria im Wochenbett sitzt und in einem Buch liest, sitzt Josef mit dem gewickelten Säugling im Arm am Boden und wiegt ihn, liebevoll, ganz versunken in den Anblick seines Sohnes. Egal, ob Maria nun betet oder liest - so ganz einig sind sich Historikerinnen und Historiker da nicht -, für mich zeigt sie: Muttersein geht auch anders, als Klischees uns das nahelegen. Und weiter: Manches, was wir mit Müttern verbinden, kann natürlich auch ein Vater. Und auch Gott, den wir als Vater anreden, wird in der Bibel väterlich und mütterlich beschrieben. 

 

Ein guter Tag darüber nachzudenken 

Mir scheint am wichtigsten, dass Menschen einander respektieren und einander bestehen lassen, in der Art und Weise, wie sie Muttersein verstehen und es leben.

Heute ist ein guter Tag, darüber nachzudenken. Allen Müttern und all denen, die mütterliche Aufgaben übernehmen, einen frohen und gesegneten Tag.

 

 

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