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Gott ist wie Himbeereis
Bild: Silvia/Pixabay

Gott ist wie Himbeereis

Ayleen Nüchter
Ein Beitrag von Ayleen Nüchter, Katholische Gemeindereferentin im Pastoralverbund St. Benedikt Hünfelder Land
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Wann waren Sie zuletzt in einer Bibliothek? Ich gebe zu, bei mir ist der Besuch einer Bücherei schon eine ganze Weile her. Im Studium war ich gezwungenermaßen öfter dort, um mir Fachliteratur auszuleihen. Nachdem ich mein Studium beendet hatte, war ich jedoch sogar etwas erleichtert, abends nach Feierabend nicht noch etwas lesen zu müssen. Doch mittlerweile denke ich: Wie schön ist es, einen spannenden Krimi oder einen schnulzigen Roman zu lesen. Besonders während der Corona Pandemie habe ich das Lesen wieder entdeckt. Den einen oder anderen dicken Wälzer habe ich in dieser oft langweiligen Zeit mit großer Begeisterung innerhalb weniger Tage quasi aufgesogen. Es braucht nicht viel; ein paar Kuschelsocken, eine warme Tasse Tee, gedimmtes Licht und eine Geschichte, die mich aus meinem Alltagstrott fliehen lässt. Ich ertappe mich aber in letzter Zeit viel zu oft dabei, abends lieber zur Fernbedienung zu greifen. Sich von einem guten Film oder einer unterhaltsamen Sendung berieseln lassen. Herrlich! Ich schätze, das tue ich aus Bequemlichkeit. Heute aber lass ich mir meine Motivation nicht nehmen, ich brauche neuen Lesestoff. Mit meiner knapp 2-jährigen Tochter ziehe ich los Richtung Gemeindebücherei. Selbst wenn wir am Ende bloß Kinderbücher ausleihen, weil ich keine richtige Ruhe zum Stöbern für ein neues Buch für mich finde, lohnt sich der Besuch der Bücherei bestimmt.

Stöbern in wunderbarer Atmosphäre

Entschlossen und mit einer Jutetasche gewappnet, die auf viel literarischen Inhalt wartet, betreten wir das Fachwerkhaus in unserem Ort. Sicher kennen auch Sie den Geruch solcher Büchereien, der mir in dem Moment in die Nase steigt. Diese besondere Atmosphäre, die vielen gefüllten Regale, zehntausende Seiten schönster Geschichten und spannender Dramen und dazwischen? Diese wunderbare Stille, die alle Besucher einhalten. All das lässt mich ein Stück weit zur Ruhe kommen. Doch leider hält dieses Gefühl nicht lange an. Nach wenigen Minuten wird mein Kind unruhig. Die Ursache ist klar: Der Mittagsschlaf war heute leider viel zu kurz. Es hilft alles nichts – jetzt heißt es sich eben zügig entscheiden. Intuitiv greife ich schließlich zu einem Buch mit Klappen, das kleine Kinderhände hervorragend öffnen können. Hinter jeder Klappe verbirgt sich ein Tier. Hier gibt es viel zu entdecken. Als nächstes schnappe ich mir ein Buch mit der Überschrift „Gute-Nacht-Geschichten“ für Kinder. „Dann haben wir nochmal eine Alternative zum Einschlafsingen“, denke ich und packe es in die Tasche. Und auch meine Tochter packt noch ein Buch hinein. Die Bücher werden schließlich abgescannt und dürfen so die nächsten vier Wochen in unserem Zuhause einen Platz im Regal finden. Erst als wir zu Hause sind, schaue ich mir das Cover und den Titel des Buches an, das meine Tochter noch ganz zum Schluss in unsere Tasche gepackt hat. Sie sagt: „Mama! Da! Ein Eis!“ Tatsächlich. Auf dem Buch ist ein Mädchen namens Anna abgebildet, mit blonden Haaren, einem bunten Kleid, einer Waffel und einer roten Eiskugel. Und halten Sie sich fest, das Buch heißt: Gott ist wie Himbeereis.

Gott ist wie Himbeereis

Musik

Ich bin irritiert, lese nochmal die Überschrift. Gott ist wie was? Himbeereis? Was ist das denn für ein Vergleich? Schon ist die Neugier geweckt. So etwas hatte ich wirklich noch nie gehört. Gott ist wie Himbeereis. Na, auf die Erklärung bin ich aber mal gespannt, denke ich insgeheim. Um meine Skepsis und meine Fragezeichen aus dem Kopf zu bekommen, lese ich als erstes den Klappentext. Hier heißt es: „Wir fragen uns alle irgendwann: Wie ist Gott? Auch die kleine Anna hat diese Frage und erhält von ihrer Mama eine ganz schön unklare Antwort, über die man erstmal nachdenken muss: "Gott ist wie alles, was dich glücklich macht." Anna zum Beispiel liebt Himbeereis.

So weit, so gut. Aber wie kann ich das verstehen? Wie kann man bitte Gott, der für mich als gläubige Katholikin so kostbar und wertvoll ist, mit einem Himbeereis vergleichen? Fragend schlage ich die Seiten des Buches auf, was liebevoll illustriert ist. Die Mutter des Kindes nenntBeispiele aus ihrer Welt, die Gott ein Stück weit erklären. Sie sagt: Gott ist wie ein gutes Gefühl, sozusagen wie ein Moment des Glücks. Er tröstet auch, wenn es einem nicht so gut geht. Hör mal, Du kannst dir vorstellen, Gott ist wie die Luft. Bei diesem Vergleich lässt es sich leichter nachvollziehen, dass Gott nicht verschwindet, auch wenn es einem Mal nicht so gut geht. Weil - obwohl man die Luft nicht sehen kann, und selbst dann, wenn man sie anhält, ist sie weiterhin da.“ Allmählich kann ich den Ansatz der Mutter von Anna verstehen. Und doch: Es ist wirklich alles andere als einfach eine Antwort darauf zu finden, wie Gott ist.

Im ersten Moment habe ich das kindliche Denken und den Vergleich von der kleinen Anna belächelt. Gott ist Himbeereis? Das erscheint mir zu plump. Die Idee, Gott mit der Luft, die wir zum Atmen brauchen, gleichzusetzen, finde ich aber dagegen ganz treffend. Ich sitze schweigend an meiner Bettkante und überlege nun einmal für mich persönlich, welcher passende Vergleich mir einfällt, um Gott zu beschreiben.

Darf ich mir überhaupt ein Bild von Gott machen?

Viele klassische Vergleiche und Bilder schießen mir in den Kopf. Gott ist wie ein liebender Vater oder wie ein treuer Freund. Gott ist wie ein starker Fels, Gott ist mächtig wie ein König. Gott ist wie ein guter Hirte, er behütet seine Herde. Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr fällt mir auf: Gott kann für jeden Menschen etwas anderes sein. Eigentlich total spannend! Denn gerade weil Gott für uns Menschen im Grunde genommen unbeschreiblich ist, ergeben sich etliche Wege, ihm in meinem Leben und in den unterschiedlichsten Alltagssituationen zu begegnen; egal ob in Glücksmomenten oder auch in Augenblicken, in denen ich traurig bin. Es lohnt sich also wachsam zu sein, in welchen Momenten mich Gott auf welche Art auch immer ... im Herzen berühren will.

Musik

Mit dem Blick in die Bibel stelle ich fest: Nicht nur die kleine Anna und ich stellen uns die Frage nach Gott. Nein. Schon in den Texten von vor über 2000 Jahren stellen Menschen die Frage nach Gott. Existiert ein Gott? Und wenn ja, was zeichnet ihn aus? Um Gott besser verstehen zu lernen, gibt uns Jesus in sogenannten „Gleichnissen“ Geschichten an die Hand, in denen er Gott mit einer realen und uns vertrauten Situation aus dem Leben vergleicht. Wer kennt es nicht? Wenn etwas für mich nur schwer zu begreifen ist, hilft es, einen Vergleich zu ziehen. Im besten Fall kann ich so dem Geheimnis von Gott und seinen Eigenschaften etwas näherkommen. In dem Gleichnis, das am heutigen Sonntag in allen katholischen Gottesdiensten vorgelesen wird, ist die Rede vom Weinstock und den Reben. Diese Geschichte können wir im Johannesevangelium lesen, übrigens das Jüngste der insgesamt vier Evangelien. In diesem Gleichnis spricht Jesus in dem Bild des Weinstocks zu seinen Jüngern und vergleicht Gott hier mit einem Winzer. Er sagt: "Ich bin der wahre Weinstock, und mein Vater ist der Winzer.“ Weiter heißt es: „Ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht, denn getrennt von mir könnt ihr nichts tun.“ Diese Worte erinnern daran, dass ich als Christ mit Gott verbunden bin. Er als Winzer kümmert sich um den Weinstock. Jesus selbst bezeichnet sich als den Weinstock, sozusagen der Stamm, an dem alles wachsen kann. Die Kraft zum Wachsen erhalten die Reben von dem Weinstock. Somit ist diese gottgewollte Verbundenheit ein Kreislauf, der nie endet. Ich als Christin bin also – um im Bild zu bleiben- wie eine Rebe. Und nicht nur ich, sondern jeder Mensch, der an Gott glaubt, darf sich als Rebe bezeichnen. Wir alle ziehen unsere Energie deshalb nicht aus uns allein heraus, sondern immer nur durch die Kraft des Weinstocks und die Pflege des Winzers. Gott ist es somit wichtig, dass ich zu ihm gehöre, ich wachse mit ihm.

Es gibt keine 1:1 Beschreibung

Bei all den Überlegungen stelle ich fest: Es gibt also nicht die Eins-zu-eins-Beschreibung von Gott, sondern nur eine Vielzahl von Versuchen, ihn als etwas Existenzielles zu verstehen. Quasi wie einen Schatz, der einen Mehrwert für mich als Mensch hat. Fakt ist: Schon bevor ich geschaffen war, hat Gott mich im Bauch meiner Mutter erdacht. Auf welche Weise er mir im Leben begegnet, ist in meinen Augen nicht das, worauf es ankommt. Vielmehr zählt für mich der Glaube daran, dass es ihn gibt. Gottes feste Zusage lautet daher an mich: „Ich möchte für dich da sein, dir nah sein. Dass du dich nicht von mir entfernst. Und selbst wenn du dich entfernst, bleibe ich dein Herr und Gott.“ So soll es sein, in allen Lebenslagen, vom ersten bis zum letzten Atemzug. Ob ich an ihm und mit ihm wachse oder ob ich ihn wie ein leckeres Eis schmecke und mich gut fühle. Dieses Erleben ist dabei immer wieder eine Herausforderung für uns als Menschen, Gott zu verstehen und ihn zu begreifen. Ob wir ihn als starke Schulter oder als Zufluchtsort wahrnehme. Wir suchen immer wieder nach Erklärungen, wissen aber, dass wir nie die Fülle und Ganzheit von Gott erfassen. Das gilt auch für die zahlreichen anschaulichen Gleichnisse aus der Bibel oder für das Kinderbuch „Gott ist wie Himbeereis.“ Ich lege das Buch fürs Erste - inzwischen müde vom vielen Nachdenken - auf meinen Nachtischschrank. Umso schöner nun - nach all dem Hin- und Hergerissen sein - mit der Gewissheit einzuschlafen, dass: egal, welcher noch so treffende Vergleich mir begegnet; ich darf mir jeden Tag sicher sein: Ich gehöre zu Gott, ich darf mir seiner Nähe in den unterschiedlichsten Augenblicken bewusst sein und mich an seiner Seite geliebt wissen. Ob ich ihn nun mit dem Glücksgefühl vergleiche, das ich habe, wenn ich meine Lieblingseissorte esse oder dass er für mich wie ein fleißiger Winzer eines Weinstocks ist, dessen jede einzelne Rebe ihm unsagbar wichtig ist. Ich spüre Gott in etlichen Situationen meines Lebens und darüber bin ich dankbar. Und ich lade Sie ein: Überlegen Sie doch mal: Wie schmeckt Gott für Sie? Wie fühlt er sich für Sie an? Wann fühlen Sie sich ihm nahe?

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