Frühlingswochenende

„Am Wochenende wird es sonnig!“, sagt die freundliche Stimme als die Wetterkarte nach der Tagesschau eingeblendet wird. Er sitzt im Sessel und hört zu.

Erinnerungen an seine verstorbene Frau

Früher wären seine Frau und er an so einem schönen Tag in die Rhön gefahren. Wären mittags irgendwo eingekehrt und danach spazieren gegangen. Und bevor sie losgefahren wären, hätte er auf sie gewartet. So wie nur langverheiratete Ehepaare aufeinander warten können. Und während er schon längst seine beigefarbene Jacke angezogen hätte, hätte sie noch ein paar Mal gefragt, ob sie den Mantel jetzt wirklich mitnehmen soll.

Was sie unternommen hätten, wenn sie noch da wäre

Er hätte auf sie gewartet, mit einer Geduld, über viele Jahre eingeübt.

Irgendwann wären sie dann losgefahren. Durch erwachende Landschaften. Durch einen noch jungen Frühling

Abends, noch vor der Dämmerung, wären sie wieder heimgekommen. Erschöpft, aber glücklich. Zum Abendessen hätte er sich ein Bier aufgemacht, sie hätte ein kleines Glas Weißwein getrunken. Beim Zuprosten hätten sie sich auch daran gefreut.

Nun fährt er allein los

Dieses Wochenende soll es schön werden. Hat die Meteorologin gesagt. Aber an diesem Wochenende fährt er allein in die Rhön.

Er braucht heute nicht mehr auf sie warten. Und hat doch noch nie so sehr auf sie gewartet, wie an diesen sonnigen Frühlingswochenende.

Manchmal treffe ich ihn, wenn er auf dem Weg zum Friedhof ist. Meist hat er Blumen dabei und wenn er mich sieht, hält er an und wir reden kurz. Er komme ganz gut zurecht, sagt er dann.

Wege zum Grab muss niemand allein gehen

Wenn ich ihn sehe, tut mir das Herz weh, obwohl es doch Frühling ist und ich weiß, dass es Wege gibt, die will man nicht gehen. Der Weg zum Grab im Frühling ist so ein Weg. Und in jedem Leben gibt es solche Wege. Hier ist das Leben und da ist der Tod. Aber diesen Weg geht nie jemand allein. Denn Jesus ist ihn schon gegangen.