Wo Gott wohnt

„Hier stand die Drehmaschine!“ flüstert meine Oma und nickt mit dem Kopf nach rechts. Wir sind gemeinsam in unserer Kirche zum Gottesdienst. Ich bin acht Jahre alt und kann mir nicht vorstellen, das in dieser Kirche irgendwann mal gearbeitet wurde.

Meine Heimatkirche, das ist ein roter Klinkerbau, eine alte Fabrikhalle, mit Abendmahlstisch. Der Raum ist schmucklos, ohne Kreuz.

Mein Kinderglaube: Gott wohnt in einer Kirche 

So also wohnt Gott, als Kind habe ich immer geglaubt, Gott lebt in der Kirche. Er mag es schön weiß. Und schön glatt. Doch die alten Korbstühle hätte ich mir nicht in mein Wohnzimmer gestellt.

Aber ich bin ja auch nicht Gott.

Gott ist überall, wo Menschen leiden

Heute, fast 39 Jahre später, vertraue ich darauf, dass Gott nicht nur in ehemaligen Fabrikhallen wohnt. Ganz und gar nicht. Er sitzt mit in jedem Schlauchboot, das übers Mittelmeer treibt. Und auch in jedem Luftschutzkeller irgendwo in der Ukraine. und ich glaube, irgendwo im Jemen steht er neben einem Krankenbett, in dem ein Kind liegt, dass vor Hunger schreit. Gott ist überall zuhause.

Gottes Aufenthaltsraum: Die ganze Welt

Er stand auch neben mir, als ich mich zum letzten Mal von meiner Großmutter verabschiedet habe und als ich das erste Vorspiel am Tag der offenen Tür in der Musikschule vergeigt habe. Die Vorstellung, er säße immer bloß im Himmel, hat mich noch nie beruhigt und irgendwie fände ich das auch langweilig.

Also: Gott steht nicht bloß auf glatte und weiße Wände. Gottes Aufenthaltsraum ist die ganze Welt und er hat überhaupt keine Angst, sich schmutzig zu machen. Die Sache ist: Er wohnt überall, wo Menschen ihn brauchen.