Verwandtschaften und Verbindungen
„Ist die Wurzel heilig, so sind auch die Zweige heilig“.
Der Apostel Paulus formuliert diesen Satz in seinem Brief an die Christinnen und Christen in Rom (Der Brief des Paulus an die Römer, Kapitel 11, Vers 16).
Kein Automatismus
„Mann, Paulus“, denke ich und schmunzele ein wenig in mich hinein, „täuschst du dich da nicht mal? Können nicht auch die besten Eltern manchmal Kinder haben, die auf Abwege geraten? Dann mag doch die Wurzel so heilig sein, wie sie will: die Zweige sind es dann ja nicht unbedingt!“
Aber weil ich weiß, dass Paulus ja im Allgemeinen seine Worte und Sätze wohlüberlegt niederschreibt, will ich seinen Gedanken nicht gleich abtun, sondern ihm erst mal nachgehen.
Ein Bild für das Verhältnis von Christentum und Judentum
Beim Nachlesen merke ich: Er überträgt das Bild vom Baum mit Wurzel und Zweigen zwar tatsächlich auf die Menschen, aber ihm geht es um das Verhältnis zwischen dem jüdischen und dem christlichen Glauben. Das Christentum wurzelt im Judentum, erinnert er, und bei allen Unterschieden sind diese beiden Religionen doch miteinander verbunden. Und dabei sollten die Einen und die Anderen respektvoll miteinander umgehen.
Passt auch der Islam ins Bild?
Dieser Gedanke gefällt mir – und ich frage mich, wie Paulus den Islam hier noch einordnen würde. Zu seiner Zeit gab es den muslimischen Glauben noch nicht, Mohammed hat erst ein paar Jahrhunderte später gelebt. Aber wäre es nicht nur logisch, auch den Islam als einen der Zweige zu sehen? Der Glaube an den einen Gott verbindet uns doch miteinander.
Gegenseitige Achtung
Paulus bestreitet ja gar nicht, dass es Unterschiede – ja, sogar Unvereinbarkeiten – gibt. Aber er macht sich stark für gegenseitige Achtung. Keiner und keine soll auf die Anderen herabsehen, sondern sich vielmehr bewusst machen, was verbindet. Und das gilt dann vielleicht auch wieder für das Leben in der Familie.
