Michaelistag
Bauernregeln sind wieder in Mode gekommen, obwohl nur Wenige sie für landwirtschaftliche Zwecke nutzen. Sprüche wie „Menschensinn und Juni-Wind ändern sich oft sehr geschwind“ bieten eine willkommene Mischung aus Weisheit und Humor.
Bauernregeln - ein rares Gut in der Welt der Online-Dienste
Von den alten Sprüchen geht eine eigentümliche Faszination aus, gerade weil sie archaisch sind und auf sinnliche Erfahrungen zurückgehen. Und das ist ein rares Gut in der Welt voller Online-Dienste. Da haben Menschen über Generationen hinweg im Alltag ihre Erlebnisse gesammelt und an Kinder und Kindeskinder weitergegeben. Und damit man sich diese Regeln besser merken kann, wurden sie in gereimten Zeilen notiert.
Die Bauernregel vom heutigen Tag erinnert an den Michaelistag
Wer allerdings heute in einen Bauernkalender schaut, wird sich wundern. Denn da heißt es für den 29. September: „Gibt Michaeli Sonnenschein, wird in zwei Wochen Winter sein“. Die Regel wirkt überstürzt, kaum jemand rechnet so bald mit dem Wintereinbruch. Aber früher sahen die Bauern das anders. Da musste die Ernte jetzt schnell eingebracht werden, weil die Stürme im Oktober vieles verderben konnten und damit begann für sie eben die lange Winterperiode.
Für mich ist diese Bauernregel aber aus einem anderen Grund sinnvoll: Die Formulierung „gibt Michaeli Sonnenschein“ erinnert nämlich an den Michaelistag.
Der Erzengel Michael
Der Tag des Erzengels Michael, der auch in den evangelischen Kalendern festgehalten ist. Und dieser Hinweis erscheint mir mindestens so wertvoll wie die Vorhersage von Wind und Wetter. Michael ist eine besondere Gestalt, auf alten Bildern wird er stets mit einem Schwert abgebildet. Ein hochgerüsteter Engel, der dem Bösen trotzt und den Menschen Schutz bietet. Nach alter Legende steht er mit seinem Schwert an der Himmelstür und bewacht sie vor Unbefugten. Zugleich sorgt er sich um die Seelen der Verstorbenen, auf ihrem Weg in den Himmel, damit sie sicher dort ankommen.
Warum die Erinnerung an ihn guttut
Man kann diese allzu bildhaften Vorstellungen als naiv abtun, ebenso wie die alten Bauernregeln, aber gewonnen ist damit nichts. Im Gegenteil, die Vorstellung von einer himmlischen Kraft, die sich um die Seelen kümmert, hat etwas Tröstendes. So als gäbe es inmitten einer durcheinander geratenen Welt eine Ordnung; etwas, was dem Bösen Widerstand leistet und für die Schwachen eintritt. Interessant ist, dass in der Volksfrömmigkeit dafür eine Rüstung nötig ist. Ohne Bewaffnung scheint es selbst in himmlischen Dingen nicht zu gehen, selbst wenn es sich da um Engel handelt.
Ob die Bauernregel heute zutrifft?
„Gibt Michaeli Sonnenschein, wird bald Winter sein“ – Heute am Michaelistag schaue ich in den Himmel, ob sich dort die Sonne zeigt. Mit der Sorge, ob ein kalter Winter bevorsteht, ob die Welt noch in Ordnung gehalten wird. Und wenn die Sonne sich blicken lässt, denke ich an Michael, und an Engel, die manchmal schwer gerüstet daherkommen, als Schutz vor dem Bösen.