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Grenzen der Meinungsfreiheit
Bild: Pixabay Simon O`Brien

Grenzen der Meinungsfreiheit

Dr. Matthias Viertel
Ein Beitrag von Dr. Matthias Viertel, Evangelischer Pfarrer i. R., Kassel
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Meinungsfreiheit ist ein Menschenrecht. Deshalb dient sie auch häufig als Begründung für politische Aktionen. Das Recht der Meinungsfreiheit soll dann Methoden rechtfertigen, die moralisch zweifelhaft wirken oder sogar an der Grenze der Legalität stehen. 

Koranverbrennungen und Missbrauch dieses heiligen Buches

So wurde etwa in Stockholm im Juli und August gleich mehrmals der Koran verbrannt, und das heilige Buch der Moslems als Fußball missbraucht. Das ist kein Einzelfall, auch in anderen Ländern kam es zu entsprechenden Aktionen. Immer wieder wurde dort die Meinungsfreiheit bemüht, um die Verbrennung von Büchern zu rechtfertigen. Die Polizei schritt deshalb nicht ein, weil sie dieses Bürgerrecht vereidigen wollte.

Wie sich eine Meinung bildet

Die Meinungsfreiheit ist ein wichtiges Gut. Keine Frage. Umso wichtiger ist es, ihre Konturen auch genau zu zeichnen. Eine Meinung ist etwas, was sich im Kopf abspielt. Gedanken werden abgewogen, Argumente bedacht, Informationen herangezogen, vielleicht hole ich auch den Rat eines guten Freundes oder einer Freundin ein. Und dann bildet sich allmählich in den Gedanken so etwas wie meine persönliche Meinung heraus. Es ist gut, dass ich diese Meinung nicht geheim halten muss, auch wenn es mitunter charmant ist, seine Ansicht über Mitmenschen nicht gleich hinauszuposaunen, vor allem wenn diese dadurch beleidigt oder gekränkt werden.

Der Umgang mit der eigenen Meinung ist eine Frage der Abschätzung

Der Umgang mit der eigenen Meinung ist eine Frage der Abschätzung. Aber verbieten lässt sie sich nicht, denn Meinungen sind Gedanken, und die kann man nicht einsperren. Schon ein bekanntes Volkslied drückt das aus: „Die Gedanken sind frei“, heißt es darin, „kein Mensch kann sie wissen, kein Jäger erschießen, es bleibet dabei: die Gedanken sind frei“. Hier findet sich eine Begründung, die auch heute gerne benutzt wird, um auf sich aufmerksam zu machen. Aber das Lied aus dem 19. Jahrhundert hat noch eine zweite Strophe, und die klingt ganz anders: „Ich denke, was ich will, und was mich beglücket, doch alles in der Still, und wie es sich schicket.“ Hier wird angedeutet, Meinungsfreiheit hat auch eine Grenze. Was läuft da also schief, wenn unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit Bücher verbrannt werden? 

Wer Bücher verbrennt, macht andere mundtot

Das Verbrennen eines Buches ist eben eine Tat und kein Gedanke. Bücher sind selbst Ausdruck von Meinungen. Wer Bücher verbrennt, will andere Meinungen verbieten und Menschen mundtot machen. 
Wenn es sich überdies um Bücher handelt, die anderen heilig sind, ist es besonders verachtend. Gerade weil die Kirchengeschichte viele Verbrennungen aufweist, von Büchern und Menschen, bin ich als Christ heute äußerst sensibel. Meinungsfreiheit beschreibt keineswegs nur die eigenen Rechte, sondern ebenso die Pflicht, den Glauben und die Gedanken Andersdenkender zu respektieren und niemanden zu verhöhnen. 
 

https://www.tagesschau.de/ausland/europa/salwan-momika-100.html
https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/schweden-warum-ein-muslim-doch-nicht-tora-und-bibel-verbrannte-19036621.html
https://www.tagesschau.de/ausland/europa/daenemark-koranverbrennungen-100.html
https://taz.de/Nach-Koranverbrennung/!5872959/

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