
Teilnahme statt Lösung
In meiner Gemeinde hatte ich an einem Tag in der Woche Sprechstunde. Dafür saß ich dann in der Kirche. In einer Ecke hatte ich zwei Sessel hingestellt und einen Tisch, um Besuchern eine Tasse Tee anzubieten. Manchmal gab es angeregte Gespräche, mitunter saßen wir auch nur im Halbdunkel schweigend zusammen und schauten auf das Licht der Kerze.
Eine Frau erzählt von den Sorgen um ihren Sohn
An einem Nachmittag erscheint eine Frau und berichtet mir mit der wärmenden Tasse in der Hand von Sorgen, die sie sich um ihren Sohn macht. Sie findet einfach keinen Zugang mehr zu ihm. Nach der Schule zieht er sich in sein Zimmer zurück, spricht nur wenig und hockt stundenlang vor dem Computer.
Sorgen um die Kinder können sehr belastend sein, sie nagen an der Seele. Die Angst, ihnen könnte etwas zustoßen, betäubt alle anderen Gedanken und kann die Eltern richtiggehend lähmen.
Wie kann ich helfen?
Als die Frau mir in der Kirche von Ihren Sogen erzählt, reagiere ich zunächst routiniert praktisch. Überlege, welche Unterstützung ihr wohl helfen würde. Vielleicht wäre ein Erfahrungsaustausch über Erziehungsprobleme nützlich. Möglicherweise wäre aber auch der Hinweis auf eine Beratungsstelle angebracht, manchmal geht es eben nicht ohne professionelle Hilfe. Während wir miteinander reden, merke ich, dass sich die Frau von dem Gespräch offenbar etwas anderes erhofft hat. Auch jeden Fall nichtsolche Ratschläge. Es muss noch etwas ganz anderes sein, was sie in die Kirche geführt hat.
Teilhabe statt Lösungsvorschlägen
Probleme werden nicht immer erzählt, damit andere sie für mich lösen. Der Drang, Mitmenschen Lösungen für die Probleme anzubieten, ist zwar verständlich, aber nicht immer angebracht. Er wird nicht dem gerecht, was Menschen wirklich brauchen und suchen. Probleme werden sehr häufig erzählt, nicht um den Hinweis auf eine Lösung zu erhalten, sondern um Teilhabe zu bekommen.
Es tut gut, jemanden an der Seite zu wissen, der mir zuhört; jemand der oder die Sorgen mit mir teilt. Zuhört, ohne gleich einen Ausweg zu benennen. Vielleicht lässt sich das Problem ja gar nicht so einfach lösen, vielleicht will ich auch gar nicht, dass mir jemand dabei hilft. Es reicht oftmals, wenn eine Person diese Gedanken mit mir teilt. Wenn jemand zuhört und mitfühlt, wird die Last schon ein bisschen leichter.
Teilnahme statt Lösung ist hier gefragt.
Auch Gott nimmt Anteil an meinen Sorgen
Von dieser Art ist auch die Hilfe, die Christen in ihrem Glauben finden. Und deshalb ist auch meine Vorstellung von Gott entsprechend: Er löst meine Probleme nicht, jedenfalls nicht sofort. Er greift nicht direkt in das Geschehen ein, er verhilft mir nicht zu meinem Recht, auch wenn ich mir das so sehr wünsche! Aber er hat Teil an meiner Sorge, er schenkt mir Geborgenheit, indem er mir zuhört. Er ist es, der mich versteht, wenn alle andere sich abwenden, und er hält ganz gewiss zu mir.