
Lebensretter im Widerstand
Im Frühsommer war ich in Italien, in Padua, und da natürlich auch in der Basilika des Heiligen Antonius. Sein Grab ist ja eine der wichtigsten Wallfahrtsstätten Italiens. Viele Menschen legen dort die Fotos ihrer Lieben ab, für die sie besonders beten.
Dieser Mann hat mich schwer beeindruckt
Beim Umsehen in der Basilika hab ich ein wenig abseits einen besonderen Beichtstuhl entdeckt. Aus dem schaute mich das Schwarz-Weiß-Portrait eines Franziskaners an: ein freundlicher junger Mann mit Brille - Pater Placido Cortese. Auf einem großen Plakat nebendran habe ich darauf seine Lebensgeschichte gelesen, und die hat es in sich … Dieser Mann hat mich schwer beeindruckt, und ich habe gerne einen dieser Gebetszettel mitgenommen, so eine Art Heiligenbildchen. Dabei ist Placido Cortese gar nicht heiliggesprochen, mag sein, dass das irgendwann kommt – aber das ist egal für die, die ihm ihr Leben oder das ihrer Eltern verdanken.
Weil er mutig war und seinem Gewissen folgte
Der Franziskanerpater Placido Cortese ist im Herbst 1944 von den Nazis gefoltert und ermordet worden, mit 37 Jahren. Und das, weil er mutig war und seinem Gewissen folgte und nicht – wie viele andere - in der „Ich kann da ja sowieso nichts machen – Haltung“ erstarrt ist.
Knotenpunkt eines antifaschistischen Widerstand-Netzwerks
Placido, der früher Nicolo‘ hieß, stammte von Cres, einer kroatischen Insel. Sehr jung ist er den italienischen Franziskanern beigetreten, hat studiert und wurde Priester. Im Alter von 30 Jahren ist er 1937 in Padua zum Herausgeber des „Antoniusboten“ ernannt worden, einer Zeitschrift, die es auch heute noch gibt. Parallel dazu hatte er als Seelsorger Kontakt zu kroatischen und jugoslawischen Kriegsgefangen und anderen Menschen in Not. Nach und nach wurde er Teil und schließlich Knotenpunkt eines antifaschistischen Widerstands-Netzwerkes. Ab 1943 stand Padua unter deutscher Besatzung.
Er verhalf vielen zur rettenden Flucht in die Schweiz
Zusammen mit anderen half Pater Placido Cortese vielen jüdischen Menschen, aber auch Kriegsgefangenen und alliierten Soldaten zur rettenden Flucht in die Schweiz. Er hatte viele Verbindungen, innerhalb wie außerhalb der Kirche. Sein Name öffnete Türen, wenn es darum ging, Menschen zu verstecken und den Transport ins rettende Ausland zu organisieren. Und ein Teil dieser gefährlichen Rettungsaktionen fand genau in jenem Beichtstuhl statt, in dem nun sein Portrait hängt. Hierher kamen die Menschen nämlich nicht nur zur Beichte, sondern auch, um geheime Informationen zu übermitteln und um verdeckt um Geld, Kleidung oder gefälschte Pässe zu bitten.
Er stellte selbst die gefälschten Ausweise her
Was mich besonders fasziniert: Pater Placido hat sich die Personen, die Dokumente brauchten, knapp beschreiben lassen. Und dann hat er selbst die gefälschten Ausweise hergestellt - mit Hilfe der vielen Fotos vom Grab des Heiligen Antonius!
Auch unter Folter hat er nichts verraten
Am 8. Oktober 1944 wurde Pater Placido Cortese um die Mittagszeit von der Gestapo abgefangen, nach Triest gebracht, dort grausamst gefoltert. Er hat nichts verraten. Wir wissen nicht, wann genau er schließlich erschossen wurde. Auf dem Stolperstein in der Nähe der Basilika steht der 15. November 1944 als Todestag.
Wie ein Märtyrer
Vor seiner Priesterweihe hatte Pater Placido in einem Brief an seine Familie geschrieben: „Ich wäre sogar bereit, wie die Märtyrer für meinen Glauben zu sterben.“ Am Ende hat er genau das getan.