
Tag des Friedhofs
Eine Besucherin auf dem Friedhof in Eschborn erzählt mir: „Wir kommen jeden Sonntag her. Vorher holen wir die Tante aus Steinbach, besuchen das Grab unserer Familie und essen im Anschluss gemeinsam. Jeden Sonntag.“ Ich begleite auf dem Eschborner Friedhof ab und an Menschen zu den Gräbern ihrer Angehörigen, auch dieses Wochenende. Heute und morgen ist Tag des Friedhofs in Deutschland. Der Bund deutscher Friedhofsgärtner hat diesen Tag 2001 begründet.
Friedhöfe sind Orte für Verbundenheit
Friedhöfe sind Orte für Verbundenheit. Menschen besuchen die Gräber ihrer Angehörigen und erzählen vom gemeinsamen Leben, unabhängig davon, wann die Beerdigung war. Eine Bekannte aus der Gemeinde bat mich im letzten Herbst, mit ihr am Tag ihrer Goldenen Hochzeit zum Grab zu gehen. Ihr Mann war im Jahr zuvor gestorben.
Verstorbene leben in der Erinnerung weiter
Auf dem Weg zum Grab erzählt sie, wie sie ihren Mann bis zum Tod gepflegt hat. Sie hat das Gefühl: Irgendwie ist er noch da in der gemeinsamen Wohnung. Bei wichtigen Entscheidungen fragt sie ihn, auch wenn er nicht mehr antworten kann. Am Morgen und Abend deckt sie für ihn mit: So sitzt sie nicht allein am Tisch.
Am Grab angekommen zeigt sie mir, was sie dort hingebracht hat: Engel, Blumen, Bilder. Wir beten gemeinsam. Danach gehen wir zusammen weg vom Friedhof. Einige Monate später erfahre ich, dass beim nächsten Familienfest das erste Mal nicht das Gedeck für ihren verstorbenen Mann dabeistand. Er war jetzt anders da – brauchte seinen Platz nicht mehr direkt am Tisch. Seine Gegenwart hat sich ins Herz zurückgezogen.
Die Beziehung zu den Verstorbenen verändert sich mit der Zeit
Heute am Tag des Friedhofs denke ich daran: Die Beziehung zu den Verstorbenen bleibt. Aber sie wird anders. Der Psychologe Robert Kachler formuliert das so: „Meine Liebe zu dir will bleiben.“[i] Robert Kachler ist aus eigener Erfahrung überzeugt: Trauer lässt sich nicht einfach abschließen. Den Verstorbenen lässt man nicht ein für alle Mal los. Die Beziehung geht weiter, aber sie verwandelt sich. Die Überlebenden können sie neu wahrnehmen und pflegen. So wie meine Bekannte aus der Kirchengemeinde neue Orte und Gelegenheiten für ihre Erinnerung gefunden hat.
Das ist bei jeder und jedem verschieden. Es kann die Wanderung durch den Taunus sein, die man oft gemeinsam gemacht hat, oder die Käsemakkaroni, die er so gerne gegessen hat. Friedhöfe können Orte sein, an denen die Verbundenheit zu spüren ist. An denen die Liebe der Überlebenden die Verstorbenen findet.
Manchmal hilft ein gemeinsamer Gang zum Grab leben
Zum Tag des Friedhofs an diesem Wochenende sind auf vielen Friedhöfen auch Pfarrerinnen und Pfarrer da für Gespräche und Begleitung. Wenn gewünscht, gehen sie mit zu den Gräbern, sie hören zu. Weil manchmal ein gemeinsamer Gang, eine nochmal anders erzählte Erinnerung etwas löst. Und leben hilft.
[i] Roland Kachler, Meine Trauer wird dich finden. Ein neuer Ansatz in der Trauerarbeit, Herder 2017 (2005), 13-25 und 39-57.