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Wozu läuten Glocken?
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Wozu läuten Glocken?

Ein Beitrag von Dr. Christine Lungershausen, Evangelische Pfarrerin, Eschborn
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Und wieder läuten die Kirchenglocken. Wir wohnen schräg gegenüber der evangelischen Kirche, an der ich Pfarrerin bin. Unsere Glocken sind nicht gerade leise. Nachts, wenn ich nicht schlafen kann, stört mich das Geläut manchmal. Dann denke ich: Ich liege jetzt schon seit zwei Stunden wach und in einer Stunde klingelt der Wecker!

Machen Kirchenglocken klarer, was die Stunde geschlagen hat?

Wozu ist eigentlich öffentliches Läuten heute noch gut? Früher sorgten Glocken dafür, dass alle wussten, wie spät es ist. Nicht jede hatte eine Uhr. Heute dagegen reicht eine Frage an Siri, ein Blick aufs Handy oder auf den Computerbildschirm. Machen Kirchenglocken klarer, was die Stunde geschlagen hat?

Läuten zum religiösen Zweck

Läuten hat Bedeutung. Weil es immer wieder Klagen wegen Lärmbelästigung gibt, ist gesetzlich geregelt, was erlaubt und was zu laut ist. Läuten zum religiösen Zweck ist erlaubt, wenn es der freien Religionsausübung dient. Also kann geläutet werden, um zum Gottesdienst einzuladen. Oder während des Vaterunser, zur Konfirmation oder zum Totengedenken beim Begräbnis.

Säkuläres Läuten ist stark reglementiert

Neben diesem religiösen Läuten gibt es säkulare Gründe, wieso man läuten darf. Das ist deutlich mehr reglementiert, was Länge und Lautstärke angeht. Säkular läutet man vor allem zur vollen Stunde. Längeres Geläut gibt es zu Mittag sowie zum Feierabend.

Früher erinnerte Glockenläuten die Menschen an Gott

Bei uns in Eschborn bei Frankfurt wird zum Beispiel in der evangelischen Kirche um 11 Uhr am späten Vormittag voll geläutet: Viele im Ort sind bis heute Bauern. Das 11-Uhr-Geläut zeigt an: Kommt langsam heim vom Feld - in einer Stunde gibt es Mittagessen. Früher hatte das Glockenläuten darüber hinaus innere Bedeutung. Es erfüllte Menschen mit Ehrfurcht, erinnerte sie an Gott, daran, woher ihr Leben kommt, was ihr Leben trägt. Sie sind zum Geläut aufgestanden oder haben ein Vaterunser gebetet.

Die Glocken verbinden

Glocken verbinden. So habe ich das empfunden, als ich in Heidelberg zum Studium war. Ich habe mich in der dortigen Friedenskirche ehrenamtlich engagiert. Deren Kirchenglocken waren weit zu hören. Ich wohnte etwas entfernt von der Kirche und hörte doch die Glocken bis in mein Studentinzimmer. Häufig saß ich allein an meinem Schreibtisch über meinen Büchern und fühlte mich ein wenig verloren. Wenn ich abends die Glocken habe läuten hören, war das ein Gefühl von Verbundenheit - dazuzugehören zu einer Gruppe von Menschen, die mit diesem Klang etwas anfangen können.

Glockenklang hat für Menschen unterschiedliche Bedeutungen

Seit ich Pfarrerin bin, frage ich Menschen am Ort, ob sie die Glocken gerne hören. Vielen bedeuten die Glocken etwas. Ein Mann zum Beispiel hört im Klang: Da wacht einer nachts über ihm – das lässt ihn beruhigt schlafen. Eine erinnert der Glockenschlag daran: Jede Stunde zählt und ist wertvoll.

Tagsüber ist jede und jeder mit dem eigenen Alltag beschäftigt. Da ist der Glockenklang wie ein Zeichen: Es gibt noch mehr als das. Und das verbindet alle, die die Glocken hören.  

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