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Der Pelikan und die Nächstenliebe
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Der Pelikan und die Nächstenliebe

Dr. Susanne Nordhofen
Ein Beitrag von Dr. Susanne Nordhofen, Ehemalige Leiterin eines katholischen Gymnasiums in Königstein/Taunus
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Im Urlaub habe ich zum ersten Mal Pelikane in freier Wildbahn gesehen. So unbeholfen sie sich an Land bewegen, so gewandt sind sie im Meer. Und wenn sie übers Wasser laufen, um Schwung zum Fliegen aufzunehmen, ist das schon ein imposanter Anblick. Bei manchen Pelikanarten verfärbt sich außerdem das Brustgefieder rötlich, wenn sie ihre Jungen aufziehen. 

„Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ 

Vielleicht war das ein Grund für die Legende, dass sich der Pelikan angeblich selbst die Brust öffnet, um die Nachkommenschaft mit seinem eigenen Blut zu füttern, wenn es keine andere Nahrung gibt. Man dachte, er würde sich sozusagen selbst verzehren, um das Überleben der Art zu sichern. 

Biologen schütteln deswegen natürlich den Kopf, weil das absoluter Unsinn ist. Aber Legenden sind nun einmal hartnäckig, und so ist der Pelikan irgendwann zum Inbegriff der Nächstenliebe und im Christentum zum Symbol für Jesus geworden, weil er auch mit seinem Blut dafür eingestanden ist: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ 

Ein spontaner mitmenschlicher Impuls

In der Bibel ist viel von Nächstenliebe die Rede. Eindrucksvoll ist für mich die letzte große Predigt Jesu vor seiner Verurteilung. Es liest sich fast wie ein Testament:

„Kommt her, die ihr von meinem Vater gesegnet seid, empfangt das Reich als Erbe, das seit der Erschaffung der Welt für euch bestimmt ist! Denn ich war hungrig und ihr habt mir zu essen gegeben, ich war durstig und ihr habt mir zu trinken gegeben; ich war fremd, und ihr habt mich aufgenommen; ich war nackt, und ihr habt mir Kleidung gegeben; ich war krank, und ihr habt mich besucht; ich war im Gefängnis und ihr seid zu mir gekommen.“ (Matthäus-Evangelium 25, 34-36) 

Als ich die Stelle wieder einmal gelesen habe, ist mir etwas besonders aufgefallen: Die Zuhörerinnen und Zuhörer müssen erstmal irritiert nachfragen, wann sie das denn alles getan haben sollen. Wie viele andere Menschen, haben sie den Bedürftigen selbstlos und ohne viel nachzudenken geholfen. Das war zunächst ein spontaner mitmenschlicher Impuls. Aber Jesus gibt ihrem sozialen Verhalten noch mal eine neue Dimension. Er sagt: „Was ihr dem geringsten meiner Brüder (und Schwestern) getan habt, das habt ihr mir getan.“ (Matthäus-Evangelium 25,40)

Die Liebe zu sich selbst

Nächstenliebe ist gleichzeitig auch Liebe zu Jesus und Liebe zu Gott. Wenn ich dem anderen Menschen Gutes tue, tue ich es im selben Moment auch für Gott. 

Und trotzdem muss sich diese Nächstenliebe nicht vollkommen aufopfern. Es geht in der Bibel und bei Jesus auch um die Liebe zu sich. Gott sei Dank muss sich niemand selbst beschädigen, wie der Pelikan in der Legende. 

Liebe deinen Nächsten wie dich selbst, heißt es schon im Alten Testament. Das wichtigste biblischen Gebot sagt mir: Ich darf und soll auch für mich selbst erst einmal  sorgen und so gestärkt auf andere zugehen. Das ist auch nicht egoistisch. Wenn ich spüre, was mir gut tut, dann kann ich das auch anderen gönnen, wenn ich mich in sie hineinversetze. Selbstliebe gibt mir den nötigen Schwung für die Liebe zu anderen Menschen.

 

 

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