
Singen bis zum letzten Atemzug
„Singen will ich. Und zwar bis zum letzten Atemzug!“ Die Frau, die das zu mir sagt, ist 90 Jahre alt – und begeisterte Sängerin im Kirchenchor. Und damit ist sie ein echtes Vorbild für mich. Denn ich singe auch unglaublich gerne und am liebsten mit anderen zusammen. Diese Leidenschaft teilen wir. Ich finde die Vorstellung wunderschön: noch im hohen Alter Teil von einem Chor sein.
Mit 90 noch im Chor singen
Als ihr Chor das letzte Mal in der Kirche sang, hat mich die 90jährige Sängerin besonders fasziniert. Ganz aufrecht stand sie da zwischen ihren Mitsängerinnen. Ihr Kopf hat leicht im Takt der Musik mitgewippt, während ihre Stimme sich in den Klang des Chores eingefügt hat. Ihre Augen haben geleuchtet. Und ich war bewegt davon, wie innig sie mit der Musik verbunden schien.
Miteinander verbunden sein und spüren was die Musik in mir zum Klingen bringt
Ich habe ihr angesehen, was ich selbst vom Singen kenne: Dieses Kribbeln unter der Haut, wenn aus vielen einzelnen Tönen ein neuer, voller Klang entsteht. Dieses Gefühl, miteinander verbunden zu sein. Mit den anderen Sängerinnen und Sängern. Und mit mir selbst und dem, was die Musik in mir zum Klingen bringt.
Die Psalmen der Bibel - gesungene Gebete
Das ging vielen Menschen vor mir so. Schon in der Bibel wird viel gesungen. Was die Menschen beschäftigt, bringen sie mit Liedern vor Gott. Sie verbinden sich so nicht nur miteinander, sondern auch mit Gott selbst. Aus Lobliedern und Klageliedern werden gesungene Gebete. Die Psalmen sind solche Gebete. In einem Psalm heißt es: „Ich will dem Herrn singen mein Leben lang.“ (Psalm 104,33) Darin drückt sich eine Sehnsucht aus: ein Leben lang mit Gott in Verbindung bleiben, ihm nah sein. Als Christin habe auch ich diese Hoffnung. Aus Erfahrung weiß ich: Mir hilft Musik dabei, mich Gott nah zu fühlen.
"Ich will dem Herrn singen mein Leben lang."
Doch seit ich die alte Dame bei ihrem Chorauftritt beobachtet habe, klingt in diesem Psalm noch etwas mit: „Ich will dem Herrn singen - mein Leben lang.“ (Psalm 104,33) Es ist nicht selbstverständlich, noch mit 90 Jahren in einem Chor mitzusingen. Manche Ältere sind nicht mehr mobil genug oder gesundheitlich nicht in der Lage dazu. Andere haben das Gefühl: Meine Stimme ist nicht mehr jung und kräftig genug, um noch Teil eines Chores zu sein.
Musizieren im Alter ist wohltuend
Dabei ist Musizieren im Alter etwas sehr Wohltuendes. Auch, um in Verbindung zu bleiben. Deswegen finde ich es wichtig, dass es Menschen gibt, die das möglich machen: Sogenannte Musikgeragogen kümmern sich darum, dass es musikalische Angebote speziell für ältere Menschen gibt. Von der Trommelgruppe im Altenheim bis zum Gitarre spielen in der Seniorenband. Oder eben Chöre, bei denen klar ist: Keine Stimme ist zu alt und jeder bekommt die Zeit, die er oder sie braucht, um die Töne zu lernen. Hauptsache, alle können miteinander Musik machen und singen – ein Leben lang.