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Johannes XXIII – der gute Vater
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Johannes XXIII – der gute Vater

Dr. Marco Bonacker
Ein Beitrag von Dr. Marco Bonacker, Katholischer Leiter der Abteilung Bildung und Kultur im Bischöflichen Generalvikariat Fulda
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Heute vor 60 Jahren starb Papst Johannes XXIII. Ein Papst, der eigentlich als konservativer Übergangskandidat galt und bei seiner Wahl bereits 77 Jahre alt war. Viel wurde ihm von seinen Zeitgenossen nicht zugetraut. Nach dem Pontifikat Pius XII. wurde eine ruhige Zeit des Übergangs und der Stabilität erwartet. Der gemütlich wirkende und bodenständig gebliebene Angelo Guiseppe Roncalli, wie Johannes XXIII. mit bürgerlichem Namen hieß, war dafür in den Augen der Kardinäle wie gemacht. Doch es kam ganz anders mit dem Bauernjungen aus Sotto il Monte bei Bergamo: Er wurde zu einem der prägendsten Päpste des 20. Jahrhunderts. Und schon vorher hatte der oft Unterschätze steile Karriere gemacht: Besonders als geschickter Diplomat des Vatikans hatte er sich in der Türkei oder Frankreich seine Meriten verdient. Gerade während des zweiten Weltkriegs war er an der Rettung vieler Juden federführend beteiligt und setzte sich auch später in seinem Pontifikat für die Annäherung zwischen Christentum und Judentum ein.

Papst auf Augenhöhe

Johannes XXIII. wurde zu dem Mann, der die Kirche der Welt neu geöffnet hat und der aufgrund seiner nahbaren Art die Herzen der Menschen erreichte - als papa buono, als guter Vater, wurde er für viele Italiener überaus beliebt. Er gab den Menschen das Gefühl, da säße ein echter und bescheidener Landpfarrer auf dem Stuhl Petri. Mit dem Satz „Ich bin Josef, Euer Bruder“, wandte er sich bei seiner Amtseinführung an das versammelte Kirchenvolk und unterstrich damit, dass er sich mit den Menschen auf Augenhöhe sah und nicht als entrückter Kirchenfürst.

Allen voran durch das Zweite Vatikanische Konzil, das er 1962 einberief, schaffte er eine Annäherung und Neubestimmung im Verhältnis zwischen Kirche und Welt. Diese Verhältnisbestimmung beschäftigt viele Katholiken noch heute und Johannes XXIII. ist es zu verdanken, dass dieser Prozess auf höchster Ebene angestoßen wurde. Das Aggiornamento, die Öffnung der Kirche zur Welt, war epochenprägend.

Vermittler und Versöhner

Sein Lehrschreiben, Pacem in terris, was „Friede auf Erden“ bedeutet, das dieses Jahr ebenfalls sein 60-jähriges Jubiläum feiert, ist zu einem weiteren Vermächtnis geworden. Es markiert auch die Anerkennung der Allgemeinen Menschenrechte durch die Kirche. Johannes vermittelte erfolgreich in der Hochphase des Kalten Krieges zwischen der UdSSR und den USA, insbesondere in der Kubakrise. Kennedy und Chrustschow hörten gleichermaßen auf den Mann in Rom. Gerade heute, in Zeiten des Krieges in Europa, hat seine Botschaft des Friedens wieder neue Aktualität gewonnen und zeigt, wie wichtig der Einsatz für den Weltfrieden seitens der Kirche ist.

Ich habe Johannes XXIII. selbst nicht erleben können, aber sein Wirken und seine Weichenstellungen bestimmen den Diskurs zwischen Kirche und Gesellschaft noch heute.

Lassen Sie sich überraschen!

Und seine eindrucksvolle Vita, seine entwaffnende Menschlichkeit und tiefe Frömmigkeit sind für mich immer noch beeindruckend. Und sein Leben vermittelt mir mindestens eine Erkenntnis: Ich sollte niemanden unterschätzen! Und das ist manchmal gar nicht so leicht! Wie oft traue ich jemandem nichts zu und werde überrascht oder sogar beschämt, wenn jemand ganz anders ist als erwartet? Wie oft urteile ich über jemanden, stecke ihn schon die Schublade und denke: Ich weiß schon, was ich zu erwarten habe. Das Pontifikat Johannes XXIII. zeigt mir, dass ich mit allem rechnen darf, vor allem mit dem Unerwartbaren.

Johannes XXIII. war bekannt für seinen feinen und auch selbstkritischen Humor: Vielleicht hätte er gesagt: „Manchmal ist es aber auch gar nicht so schlecht, unterschätzt zu werden. Umso besser kann man Menschen und damit auch Institutionen überraschen, mitnehmen und verändern.“ Vielleicht konnten nur so die Fenster der Kirche weit geöffnet werden.

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