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Manches neu macht der Mai
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Manches neu macht der Mai

Dr. Annette Wiesheu
Ein Beitrag von Dr. Annette Wiesheu, Theologische Referentin des Bischofs von Mainz
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Traumhaft schön ist der Mai. Der Frühling hat Fahrt aufgenommen. Die Natur ist aufgewacht, die Bäume werden grün, überall Blüten. Viele Volkslieder und Gedichte besingen den Mai – „Komm lieber Mai und mache die Bäume wieder grün“, heißt eines der bekanntesten Mailieder. Der Mai wird mit einem Tanz eröffnet, Maibäume werden aufgestellt, in manchen Gegenden von Verliebten vor dem Haus der Angebeteten. Der Mai – das ist der Monat der Jugend, der Monat zum Sich-Verlieben, zum Heiraten und – wie meine Großmutter sagte – ein schöner Zeitpunkt, um ein Kind zu bekommen.

Mit ihr nahm es seinen Anfang

„Alles neu macht der Mai“ heißt es in einem anderen bekannten Volkslied. Ich glaube, in den vielen Volksliedern und Bräuchen rund um den Mai drückt sich eine Sehnsucht aus: die Sehnsucht nach Erneuerung. Und es drückt sich darin die Hoffnung aus: Ein Neuanfang ist möglich, neues Leben kann entstehen. In der katholischen Tradition ist der Monat Mai der Gottesmutter Maria gewidmet, auch das passt dazu. Maria hat Jesus geboren, der – wie Christinnen und Christen glauben – den Tod überwunden hat und neues Leben schenkt. Mit Maria nahm das neue Leben seinen Anfang.

Die Probleme sind die gleichen

„Alles neu macht der Mai“. Eine skeptische Stimme in mir fragt aber: Ist diese Sehnsucht nach Erneuerung nicht eine große Illusion? Eigentlich macht der Mai doch gar nichts neu. Die Probleme der Welt sind am 1. Mai die gleichen wie am 30. April, der Alltagstrott geht genauso weiter wie in den Monaten davor, und ich selbst bin auch immer noch die gleiche – mit meinen Falten, Schrullen und Macken. Und noch dazu ein Jahr älter als im letzten Mai.  

„Alles neu macht der Mai.“ Vielleicht ist es wirklich nur ein schöner Traum: dass Erneuerung, dass Neuanfänge möglich sind. Ein schöner Traum, der rasch zerplatzt, angesichts der starren Realität, und vielleicht auch angesichts der Unbeweglichkeit der Menschen, auch meiner eigenen.

Kleine Erneuerungen, die das Leben bereichern

Aber so einfach will ich meiner Skepsis nicht die Oberhand lassen. Ich dichte das Mai-Lied einfach um, und singe nicht mehr „Alles neu macht der Mai“ sondern: Was mach ich neu im Mai? Denn: ein neuer Anfang fällt nicht vom Himmel, der Mai legt ihn mir nicht vor die Tür. Aber ich kann selbst ein paar Schritte tun und etwas neu machen. Und es muss auch nicht alles sein, das ich im Mai neu mache. Manchmal sind es schon kleine Erneuerungen, die das Leben bereichern. Zusammen mit meiner neuen Nachbarin habe ich das kleine Beet vor unserem Haus neu angelegt. Ich hatte es mir schon länger vorgenommen, nie hatte ich den Schwung dazu und wusste auch nicht so recht, wie ich es anfangen sollte. Meine Nachbarin ist eine erfahrene Gärtnerin, sie hat mir gute Tipps gegeben und mir sogar ein paar Pflanzen aus ihrem Garten überlassen. Das gemeinsame Werkeln hat großen Spaß gemacht, wir plaudern jetzt öfters über den Gartenzaun, und ich freue mich jeden Tag an dem neuen Beet. Heute am ersten Tag des Monats begrüße ich gespannt den Mai – vielleicht bringt er mir noch ein paar Ideen, was ich neu machen kann.

 

 

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